Das geht 2022 an den Finanzmärkten

Von Philipp Habdank

Leveraged-Loans gehen ab, den Bonds am Ende ein wenig die Puste aus, syndizierte Kredite dümpeln vor sich hin und der Schuldschein kam überhaupt nicht in die Gänge. Aber in Summe liegt hinter uns ein Finanzierungsjahr mit viel Licht und wenig Schatten. Auch 2022 dürfte gut werden, aber dann wird’s spannend – speziell im Bankenmarkt.

Der Ausbruch der Coronapandemie hat die liquiden und illiquiden Finanzierungsmärkte 2020 geschockt. Ende 2021 ist davon nichts mehr zu spüren. Die Erholung hat sich in diesem Jahr nicht nur fortgesetzt, sondern einige Märkte – speziell den Leveraged-Finance-Markt – zu neuen Rekorden getrieben.

Beim letzten „Financing Friday“ in diesem Jahr von unserem Schwestermedium „Think Tank Corporate Banking & Finance“ haben Finanzierungsberater Paul Kim (Herter & Co.), Firmenkundenbanker Michael Schleef (HSBC), Finanzierungsanwalt Thomas Lange (Görg) und Forderungsankäufer Bernd Renz (Targobank) die Finanzierungsmärkte analysiert und einen Ausblick auf die kommenden Jahre gewagt.

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Die Analyse zeigt, dass die meisten Finanzierungsmärkte ihr Pre-Corona-Niveau bereits wieder erreicht oder sogar schon übertroffen haben. Das gilt sowohl für das Marktvolumen – dazu gleich mehr – als auch für die Dokumentationspflichten, die naturgemäß den Markttrends folgen. Grundsätzlich ist die Kreditdokumentation schon wieder sehr schuldnerfreundlich. „Es gibt nicht mehr die ganz große Unsicherheit, die noch 2020 herrschte, als kein Unternehmen wusste, wie es die Unsicherheit in den Modellen abbilden soll“, sagt Thomas Lange.

Kreditdokumentation wieder so locker wie vor Corona

Der Anwalt differenziert aber: Im Corporate-Markt hängt die Strenge der Dokumentationspflichten stark vom Einzelfall und davon ab, ob das Unternehmen ein Coronagewinner oder -verlierer ist. Noch lockerer, und aus Kreditnehmersicht teilweise sogar besser als vor Corona, seien die Kreditauflagen im Leveraged-Finance-Geschäft. Thomas Lange glaubt, dass sich der Trend auch 2022 fortsetzen, die Dokumentationspflichten aber nicht noch weiter aufweichen werden.

Es gibt nicht mehr die ganz große Unsicherheit, die noch 2020 herrschte, als kein Unternehmen wusste, wie es die Unsicherheit in den Modellen abbilden soll.

Thomas Lange, Görg

Der Leveraged-Finance-Markt hat die Krise augenscheinlich am schnellsten abgeschüttelt. Leveraged Loans und High Yield Bonds waren 2021 gefragt wie nie. Der Markt für syndizierte Kredite scheint zumindest stabil – wirkliche Sorgen bereitet eigentlich nur der Schuldscheinmarkt, der deutlich hinter seinem Pre-Corona-Niveau zurückbleiben wird. Hier nun unser Deep Dive in die einzelnen Märkte. Auf geht’s!

Investoren gieren nach Leveraged Loans

Beginnen wir mit den Leveraged Loans – also dem Markt, der bonitätsschwächere Unternehmen im Non-Investmentgrade- und Crossover-Bereich finanziert. Das sind Unternehmen, deren Bonität die Rating-Agenturen als „spekulativ“ bezeichnen. Die Schwelle vom Investment- zum Non-Investmentgrade liegt auf den Skalen der großen Ratinganbieter beim BB. Unternehmen im Crossover-Segment bewegen sich um diese Ratingklasse drumherum.

Leveraged Loans sind im Wesentlichen institutionelle Kapitalmarktdarlehen (Term Loan B, kurz: TLB), die heute überwiegend von Banken strukturiert und an institutionelle Investoren syndiziert werden. Banken selbst investieren zwar auch heute noch in TLBs, aber bei weitem nicht mehr so stark wie noch vor der Finanzkrise, wie die folgende Grafik zeigt. Der „Pro rata“-Anteil ist der von Banken gezeichnete Teil des Kapitalmarktdarlehens.

Laut Paul Kim von der Finanzierungsberatung Herter steuert der europäische Leveraged-Loan-Markt 2021 auf ein Rekordjahr zu. „Wir sprechen von einem Gesamtvolumen von 128 Milliarden Euro. Das ist ein absoluter Rekord und stellt sogar das Jahr 2017 in den Schatten“, sagt Kim unter Berufung auf Zahlen von Standard & Poor‘s. Gegenüber dem Vorjahr ist das eine Verdopplung des Kreditvolumens, aber 2020 war auch ein vergleichsweise schwaches Jahr. Besser war nur das Jahr 2007 als die Banken selbst noch ein relevanter Spieler in diesem Markt waren – und das bittere Ende nicht fern war.

Kerntreiber bei Leveraged Loans war offenbar die hohe M&A-Aktivität in diesem Jahr, speziell in der Private-Equity-Branche: „Buy-out-Finanzierungen haben sich anteilig verdoppelt gegenüber dem Vorjahr und Dividend Recaps mehr als verdreifacht, was ein Zeichen der Märkte für die Bereitschaft ist, auch aggressive Strukturen zu unterstützen“, sagt Kim.

Und aggressiver werden die Finanzierungsstrukturen in der Tat. Laut Kim lag der Spitzen-Leverage – die Verschuldung in Relation zum Ebitda – zuletzt im Schnitt beim Faktor 5,8. Die relativen Kaufpreise liegen dem Finanzierungsberater zufolge inzwischen bei dem 12,5-Fachen des operativen Gewinns der Unternehmen, was den hohen Anlagedruck von Private Equity verdeutlicht.

High Yield Bonds mit starkem erstem Halbjahr

Noch einen Tick spekulativer als die Leveraged Loans sind die Hochzinsanleihen – auch High Yield Bonds oder Junk Bonds genannt. Das Bond-Jahr 2021 war auch gut, speziell das erste Halbjahr, aber auf den letzten Metern ging dem Markt dann offenbar doch ein bisschen die Puste aus. „Im zweiten Halbjahr ist es ein bisschen holpriger geworden und spätestens im Dezember haben dann Ängste um Corona, um Omikron, um Rohstoffpreis- und Halbleiterthemen die Dinge etwas volatiler gestaltet, weswegen es zum ersten Mal seit langem zuletzt wieder verschobene und gepullte Deals gab“, sagt Kim.

Aufgrund des extrem starken ersten Halbjahres mit jeweils knapp 100 Transaktionen im Wert von jeweils fast 40 Milliarden Euro, dürfte 2021 dennoch ein Rekordjahr werden. „Die Emission von Schuldtiteln und Aktien mit spekulativem Rating hat im Jahr 2021 ein Rekordhoch erreicht, und die Investoren zeigen einen anhaltend starken Appetit auf risikoreiche Anlagen“, schreibt die EZB im November in ihrem „Financial Stability Review“.

Weiter heißt es darin, dass die Emissionen von spekulativen Anleihen im Corona-Jahr 2020 zunächst zum Stillstand kamen, aber in der zweiten Jahreshälfte wieder an Fahrt aufnahmen und 2021 ein Rekordhoch erreichten. Die Märkte hätten die Neuemissionen aufgesogen, ohne dass es Anzeichen für eine Ausweitung der Spreads gab. High Yield Bonds wurden dabei weitgehend von Investmentfonds gekauft, so die EZB.

Den hohen Appetit der Investoren nach riskanteren Anleihen beobachtet auch Finanzierungsberater Kim. Der Anteil schwächerer Bonitäten im Investmentgrade habe anteilig zugenommen. „Der Anteil von BBB-gerateten Papieren ist mittlerweile dreimal so groß wie noch vor zehn Jahren, während der Anteil der AAA-Papiere auf ein Minimum runtergegangen ist“, beobachtet Kim.

Bond-Ausblick: Was machen die Zentralbanken?

Für 2022 ist der Finanzierungsberater optimistisch. „Unsere Erwartungshaltung ist, dass es im Grundsatz erst mal so weitergeht“, sagt Kim. Aber es gibt natürlich ein dickes Fragezeichen: Wie reagieren die Zentralbanken in Amerika und Europa auf die steigende Inflation? Laut Angaben der Europäischen Zentralbank (EZB) betrug die Preisteuerungsrate im November in der Spitze knapp 5 Prozent. Über das Gesamtjahr dürfte sie wohl im Schnitt bei knapp 3 Prozent liegen, was oberhalb der ausgegebenen Zielmarke von 2 Prozent liegt.

Die drohende Zinserhöhung bleibt natürlich das Damoklesschwert.

Paul Kim, Herter & Co.

Kim rechnet darum für das zweite oder dritte Quartal mit gewissen Schritten. „Die drohende Zinserhöhung bleibt natürlich das Damoklesschwert“, so der Finanzierungsberater. Ob die EZB bereits im kommenden Jahr die Zinsen erhöht, bleibt abzuwarten. Marktbeobachter rechnen aber zumindest damit, dass die Währungshüter ihre Anleihekaufprogramme drosseln könnten. Die US-amerikanische Notenbank FED hat das bereits angekündigt, die EZB zog heute nach und kündigte an, das in der Pandemie aufgelegte Programm (PEPP) Ende März 2022 auslaufen zu lassen. Das ältere Anleihekaufprogramm der EZB läuft aber weiter. 

„Im Augenblick ist nicht abzusehen, dass die EZB an der Zinsschraube etwas ändert. Wir rechnen auch weiterhin mit Anleihekäufen“, sagt Michael Schleef, der als Bereichsvorstand das Firmenkundengeschäft der HSBC Deutschland verantwortet. Der Banker vermutet aber, dass die Volatilität etwas zunimmt. „Im Bondmarkt wird es nächstes Jahr noch wichtiger als je zuvor, die richtige Entscheidung beim Timing zu treffen, obwohl sich vermutlich im Jahresverlauf gar nicht so viel ändert“, vermutet Schleef.

Langeweile bei den Synloans

Gar nicht so viel geändert hat sich in diesem Jahr auch im Corporate Banking – weder im positiven noch im negativen Sinn. Schleef hat sich dazu den Markt für Konsortialkredite (Synloans) und Schuldscheine genauer angesehen. „Wenn man das mal zusammenfasst, dann kann man für 2021 – und im Kern wahrscheinlich auch für 2022 – sagen: Man sieht, dass man nicht viel sieht“, sagt Schleef.

Die Kreditvergabe von Banken an inländische Unternehmen war dem Firmenkundenbanker zufolge „wirklich flat“. Die Ursache: Unternehmen hätten ihre Investitionen zurückgefahren– insbesondere im Automotive- und Maschinenbau-Sektor. Den Banker wundert es daher nicht, dass die Kreditnachfrage zuletzt nicht besonders hoch war.

Man sieht, dass man nicht viel sieht.

Michael Schleef, HSBC Deutschland

Die Kreditvergabe an deutsche Unternehmen liegt laut Bundesbank seit zwei Jahren bei rund 1 Billion Euro. Das Volumen von Synloans in Deutschland beträgt dem Datenanbieter Dealogic zufolge seit drei Jahren rund 145 Milliarden Euro – ein gutes Zehntel aller Bankkredite an deutsche Unternehmen dürften damit im Rahmen von Syndizierungen vergeben werden.

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Laut Schleef ist der Synloan-Markt wieder auf dem Pre-Corona-Niveau, sowohl was die Laufzeiten als auch die Spreads betrifft. Bei den Laufzeiten gelte wieder die typische „5+1+1“-Regel, also die fünf Jahre Laufzeit mit der zweimaligen Verlängerungsoption. „Ich würde da jetzt auch keine großartigen Änderungen erwarten“, sagt Schleef.

An dieser Stelle sei kurz erwähnt, dass auch das das Kreditjahr 2021 noch immer stark von den Corona-Hilfskrediten der KfW geprägt war. Ein Teil davon muss nicht zurückbezahlt werden, ein anderer hingegen schon: „Mittels der rückzahlbaren Hilfen des KfW-Sonderprogramms, der Bürgschaften und des Wirtschaftsstabilisierungsfonds wurden knapp unter 70 Milliarden Euro ausgereicht, der größte Anteil hiervon entfällt auf die Kredite der KfW“, schreibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in ihrem Monatsbericht für den November 2021. Die Refinanzierung dieser Kredite könnte dem Synloan-Markt in den nächsten Jahren Auftrieb geben.

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Der Schuldschein in der Corona-Falle

„Das Einzige, was fairerweise in diesem Jahr hinterherhinkt, ist der Schuldscheinmarkt“, sagt Schleef. Für das Gesamtjahr rechnet der Firmenkundenbanker mit einem Gesamtemissionsvolumen von lediglich 15 bis 17 Milliarden Euro – es gibt auch Schätzungen, die 18 bis 20 Milliarden Euro bis zum Jahresende sehen. Der Schuldschein war schon immer ein Nischenmarkt, doch vor der Coronakrise 2019 lag das Emissionsvolumen dem Datenanbieter Refinitiv zufolge immerhin noch bei 28,8 Milliarden Euro, was ein Rekordjahr für den Nischenmarkt war.

Das Einzige, was fairerweise in diesem Jahr hinterherhinkt, ist der Schuldscheinmarkt.

Michael Schleef, HSBC Deutschland

Im Coronajahr 2020 brach der Markt, dessen Erfolg naturgemäß stark von den wenigen großen Jumbo-Transaktionen abhängt, auf 17,9 Milliarden ein. Seitdem hat er sich nicht wirklich erholt. Von Krisenfällen oder gar Ausfällen ist bislang wenig bis nichts zu lesen, was aber auch daran liegen mag, dass der Schuldscheinmarkt im Gegensatz zu den Anleihemärkten noch immer sehr intransparent ist. Er wird von den Landesbanken dominiert, die den Schuldschein arrangieren und dann an ihre Sparkassen verteilen. Einen liquiden Sekundärmarkt gibt es nicht, weshalb die Öffentlichkeit abgesehen von den veröffentlichen Marktzahlen relativ wenig mitbekommt.

Das Problem des Schuldscheins auf der Neuemissionsseite: Er ist seit Ausbruch der Coronakrise zwischen dem Banken- und Bondmarkt gefangen. Banker berichten uns, dass Unternehmen, die frei wählen können, sich oft für die Anleihe entschieden oder in der Krise auf die bilaterale Bankenbeziehung beziehungsweise KfW-Kredite gesetzt haben. Das Investoreninteresse am Schuldschein ist Schleef zufolge nach wie vor groß, der Engpass sind die Emittenten.

Drei Trends im Corporate Banking

Mittelfristig sieht Schleef drei nennenswerte Entwicklungen im Corporate Banking, die wir mal wie folgt zuspitzen: 1.) Wegen der Einführung von Basel IV brauchen Banken mehr Eigenkapital und können weniger Kredite vergeben. 2.) Banken spezialisieren sich im Firmenkundengeschäft und bieten nicht mehr jedem Kunden alle Produkte an. Und 3.) Der ESG-Trend ist ein scharfes Schwert und kann ein substanzielles Finanzierungsrisiko für Unternehmen werden.

Zunächst die Basel-Geschichte: „Wenn wir auf die europäischen Banken schauen, stellen wir grosso modo fest, dass der Bedarf an Risk Weighted Assets (RWA) und damit auch der Eigenkapitalbedarf für die Kreditbücher im Schnitt um rund zwei Drittel zunimmt“, sagt Schleef. Das liegt unter anderem daran, dass die Banken die Risiken nicht mehr so ausrechnen dürfen wie sie es mit ihren eigens gebauten Modellen wollen – der vom Regulator verlangte standardisierte Eigenkapitalansatz liegt oft über dem von den Banken ermittelten Risiko (mehr dazu in unserem Basel IV Banken-Check mit Ulf Morgenstern).

Wenn wir auf die europäischen Banken schauen, stellen wir grosso modo fest, dass der Bedarf an Risk Weighted Assets und damit auch der Eigenkapitalbedarf für die Kreditbücher im Schnitt um rund zwei Drittel zunimmt.

Michael Schleef, HSBC Deutschland

Für Schleef ist bei der Auswahl der Kernbanken wichtig darauf zu schauen, wie sich die Finanzinstitute auf den steigenden Kapitalbedarf vorbereiten und wie die Kreditstrategie für die nächsten Jahre aussieht. Da der deutsche Bankenmarkt „notorisch unprofitabel“ sei, werden die Banken die Kapitallücke nicht über einbehaltene Gewinne schließen können. Über die Kapitalmärkte tun sich Banken ebenfalls schwer, Eigenkapital einzusammeln. Heißt: Die Banken müssen mit ihren RWAs haushalten. Wer im Kreditgeschäft wachsen will, muss die risikogewichteten Aktiva aus anderen Geschäftsbereichen abziehen. Tut die Bank dies nicht, muss sie womöglich ihr Kreditbuch zurückfahren.

Außerdem beobachtet Schleef, dass Banken im Corporate Banking nun tatsächlich damit beginnen, sich zu spezialisieren und nicht mehr jedem Firmenkunden jedes Produkt anbieten (nur einer der Punkte, die Bankenberater Andreas Becker im Podcast kritisiert hat). „Da kann man schon am Markt beobachten, dass sich Häuser umstellen“, behauptet Schleef. Der Banker macht Häuser aus, die sich stärker auf den nationalen Mittelstand konzentrieren. Andere legen den Fokus erkennbar auf das globale Bankgeschäft, Dax-Konzerne und das Investmentbanking. Wieder andere – dazu zählt Schleef seine HSBC – schauen auf den international ausgerichteten „Mittelstand mit komplexem Produktbedarf“.

ESG Finance: Fremdfinanzierer ziehen das scharfe Schwert

Der dritte Punkt in Schleefs Glaskugel-Agenda ist der Trend zum nachhaltigen Investieren: ESG Finance. „Wir müssen uns auch ökonomisch fragen, wer künftig denn noch Unternehmen finanziert, die Dinge herstellen, die wir täglich brauchen, die aber nicht grün sind“, sagt Schleef. Der Bond- und der Schuldscheinmarkt kommen in den Augen des Bankers dafür immer weniger in Frage.

Während der Banker bei den Anleihen lediglich eine Preisdifferenz ausmacht, meint er am Schuldscheinmarkt auch einen Mengeneffekt zu sehen. „Es scheint mittlerweile sehr viele Investoren zu geben, die eine ganz klare Green Policy verfolgen. Darum kann man etwas beobachten, was es in der Vergangenheit eigentlich nicht gab: nämlich Schuldscheine, die nicht vollständig platziert werden, weil der Emittent nicht oder nicht vollständig grün ist“, sagt Schleef. Will heißen: ESG-Probleme lassen sich nicht mehr nur über den Preis regeln.

Wir müssen uns auch ökonomisch fragen, wer künftig denn noch Unternehmen finanziert, die Dinge herstellen, die wir täglich brauchen, die aber nicht grün sind.

Michael Schleef, HSBC Deutschland

Die Bankenfinanzierung sei noch nicht an diesem Punkt, weil Banken mit ESG-Problemen bislang noch „liberaler umgehen können“, sofern ein klarer Übergangspfad zu sehen sei. „Ich gehe aber davon aus, dass sich diese Denkweise mit Zeitversatz auch am Bankenmarkt durchsetzen wird – auch weil viele Banken selbst über den Kapitalmarkt refinanziert sind und genau die gleichen Fragen gestellt bekommen wie ein industrieller Kunde“, sagt Schleef. Nämlich: Wie grün ist eigentlich das Kreditportfolio der Banken? Spätestens dann entsteht für Unternehmen ohne klare ESG-Strategie ein handfestes Finanzierungsrisiko, glaubt der Banker.

Finanzierungsberater Paul Kim teilt mittelfristig die Meinung von Schleef, gibt kurzfristig aber ein bisschen Entwarnung. Zwar hatten in diesem Jahr 15 Prozent der europäischen High-Yield-Bonds und sogar jeder fünfte Leveraged Loan ein „ESG Feature“. Diese scheinen aber noch nicht besonders ausgefeilt zu sein. „Bei Leveraged Loans reden wir immer noch von relativ geringen Vergünstigungen beim Kredit, wenn bestimmte ESG-Zielsetzungen erreicht werden“, sagt Kim. Der Zinseffekt spiele sich heute noch im Bereich von 25 bis 50 Basispunkten ab, die Unternehmen einsparen können.

philipp.habdank@whatsup-cf.de

Info: Den kompletten Mitschnitt zur Diskussion gibt’s in der Thinktank-Mediathek. Noch mehr Marktanalysen liefert unsere Themenseite „Finanzierung“.

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