Die 6-Billionen-Euro-Frage (#14)

Von Philipp Habdank

Warum der Global Head of Lending Corporate Bank der Deutschen Bank glaubt, dass es für die billionenschwere digitale und nachhaltige Transformation der deutschen Wirtschaft sowohl Banken als auch Debt Funds braucht und wie er mit ihnen zusammenarbeiten will – der Podcast mit Hauke Burkhardt.

6 Billionen Euro: So viel wird es allein kosten, um Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu machen, rechnet die Unternehmensberatung McKinsey in einer Studie vor. Das entspricht jährlichen Investitionen von rund 240 Milliarden Euro oder rund 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Und dann ist noch kein Cent in die Digitalisierung geflossen – der zweite große Megatrend, der die deutsche Industrie fordert. Um hier zu anderen großen Ländern aufzuschließen, sind viel höhere Investitionen nötig als bislang, schreibt die KfW in einem Research-Papier. Allein im Mittelstand seien jährlich 35 bis 50 Milliarden Euro nötig. Insgesamt müssten die jährlichen IT-Investitionen in Deutschland auf das Doppelte bis Dreifache steigen, also von 49 Milliarden auf 100 bis 150 Milliarden Euro.

Kurzum: „Es stehen gewaltige Investitionen bevor“, sagt Hauke Burkhardt im Podcast bei „What’s up, Corporate Finance?“. Als Global Head of Lending Corporate Bank verantwortet der Banker das weltweite Finanzierungs- und Kreditgeschäft für die Unternehmenskunden der Deutschen Bank. Das gewaltige Finanzierungsvolumen werde keine Gruppe am Markt allein stemmen können. Vielmehr brauche es ein Zusammenspiel von staatlichen Fördermitteln, Banken und dem Kapitalmarkt – dazu zählt Burkhardt auch die Debt Funds.

Nachhaltig höherer Leverage

Die entscheidende Frage lautet dabei nicht, wer grüne Unternehmen finanziert, um diese noch grüner zu machen. Entscheidend ist, wer Industrieunternehmen auch in der sogenannten „Transition“ begleitet – also auf dem Weg in die Nachhaltigkeit. „Deutschland ist ein Industrieland und Transition Finance ist unglaublich wichtig, um erfolgreich zu sein bei der Transformation“, sagt Hauke Burkhardt.

Aktuell gibt es zwei Probleme: a) Negative Feststellungen bei der ESG Due Diligence sind für Kreditgeber aktuell noch mehr Red Flag denn spannender Finanzierungsanlass und b) Investitionen in die Nachhaltigkeit wirken sich selten sofort positiv auf den Gewinn aus. Das wiederum müsste dazu führen, dass die relativen Verschuldungsgrade (Leverage) vieler Unternehmen in den nächsten Jahren erst mal steigen werden – was weniger regulierte Debt Funds grundsätzlich mehr und strenger regulierte Banken eher weniger freuen dürfte.

Wir werden einen höheren Grund-Leverage in der Finanzierung sehen.   

Hauke Burkhardt, Deutsche Bank

Laut Hauke Burkhardt braucht es für Transition Finance seitens der Unternehmen eine klare Strategie zur Klimaneutralität und fest definierte Meilensteine, um dieses Ziel zu erreichen. Der Banker sieht im Markt derzeit zwei, vielleicht drei praktikable Möglichkeiten für nachhaltige Finanzierungen:

  1. Der Verwendungszweck ist nachhaltig. Beispiel: Bau eines Windparks.
  2. Das Unternehmen ist nachhaltig. Beispiel: Recycling-Unternehmen.
  3. Die Finanzierung ist an nachhaltige Kennzahlen geknüpft. Beispiel: Erreicht ein Unternehmen seinen CO2-Zielwert, sinken die Finanzierungskosten. Verfehlt es den Wert, dann steigen sie.

Der Kreditgeber – egal ob Bank oder Debt Fund – befindet sich bei der Bonus-Malus-Thematik in einem Dilemma, das bislang noch nicht aufgelöst ist. Hält das Unternehmen seine Nachhaltigkeitsziele ein, wird der Kreditgeber finanziell bestraft. Finanziell profitieren würde der Kreditgeber nur, wenn die Ziele verfehlt würden. Die Deutsche Bank spendet den Malus darum gemeinsam mit dem Unternehmen für einen nachhaltigen Zweck. Ein für alle Seiten optimales Anreizsystem muss erst noch gefunden werden.

Wohin mit dem Dry Powder der Debt Funds?

Sollte es im Zuge der Nachhaltigkeitsinvestitionen tatsächlich zu einer höheren Grundverschuldung und damit zu einer breiten Bonitätsverschlechterung im deutschen Mittelstand kommen, kann das den Debt Funds eigentlich nur recht sein. Die stellen sich nämlich auch eine Billionenfrage: Wohin mit ihrem eingesammelten, aber noch nicht investierten Kapital?  

Der Datenanbieter Preqin schätzt in seinem aktuellen „Global Private Debt Report“ das weltweite Vermögen (Assets under Management) der Debt Funds Ende 2021 auf rund 1,2 Billionen US-Dollar. Bis 2026 soll sich das Volumen auf 2,7 Billionen mehr als verdoppeln. Insgesamt sind laut Preqin (Stand: Q3 2021) 689 Debt Funds aktiv am Markt.

In Europa werden aktuell noch immer 80 Prozent aller Investitionen über Bankkredite gestemmt.

Hauke Burkhardt, Deutsche Bank

Die Musik spielt immer noch vor allem in den USA. Der Kapitalmarkt ist in Europa und speziell Deutschland deutlich kleiner als in den USA. „In Europa werden aktuell noch immer 80 Prozent aller Investitionen über Bankkredite gestemmt“, sagt Hauke Burkhardt. In den USA sei das Verhältnis andersrum. Die Frage lautet nun, ob die Banken für die Debt Funds in Europa und speziell in Deutschland für den Eintritt ins Corporate-Geschäft Türöffner oder Türsteher sind – eine Frage, die der Deutsch-Banker im Podcast noch nicht abschließend beantworten mochte.

Bislang punkten die Debt Funds mit ihren Vorteilen vor allem im bei Private-Equity-Investoren, weshalb der Fokus der meisten Fonds auf dem Leveraged-Finance-Geschäft liegt. Im gemessen am Volumen deutlich größeren Corporate-Markt tun sich die Debt Funds bislang deutlich schwerer. Der Leveraged-Finance-Markt ist über die Jahre zwar gewachsen, vergleichen mit dem Corporate-Markt aber immer noch eine absolute Nische.

Wahrscheinlich wird sich der ein oder andere Debt Fund oder die ganze Branche neu erfinden müssen.

Hauke Burkhardt, Deutsche Bank

„Wahrscheinlich wird sich der ein oder andere Debt Fund oder die ganze Branche neu erfinden müssen“, vermutet Hauke Burkhardt. Alleine der LBO-Markt wird nicht die Antwort auf die Billionenfrage der Debt Funds sein. „Und ich glaube Mittelstandskredite auch nicht. Von daher müssen die Debt Funds ein bisschen kreativ werden, wo sie wirklich den Unterschied machen können“, sagt der Deutsch-Banker.

Banken und Debt Funds: Exklusivität oder „offene Beziehung“?

Ob die Debt Funds nun Freund oder Feind, Segen oder Fluch für die Banken sind – auf diese Kategorisierung lässt sich Hauke Burkhardt im Podcast nicht ein. Für die Banken ist mit den Kreditfonds speziell im Leveraged-Finance-Geschäft ein neuer Wettbewerber entstanden, mit dem sich situativ aber auch ganz gut zusammenarbeiten lässt. „Am Ende geht es mir immer um die beste Finanzierungslösung für das Unternehmen“, sagt Hauke Burkhardt.

Ob die beste Lösung ein Club aus mehreren Banken ist, die Zusammenarbeit mit einem einzelnen Debt Fund oder eine klassische Kapitalmarktlösung – das kann dem Global Head of Lending Corporate Bank der Deutschen Bank letztendlich egal sein. Er blickt schließlich strategisch aus der Vogelperspektive auf das Finanzierungsgeschäft der Bank. Die Herausforderung für die Hauke Burkhardts dieser Welt dürfte es sein, diese Big-Picture-Denke auch in die Köpfe der LBO-Banker am Markt zu bringen. Diese – das vermuten wir an dieser Stelle einfach mal – haben nämlich in erster Linie ein Interesse daran, dass das eigene Produkt gut läuft – und das ist nun mal der LBO-Kredit.

Am Ende geht es mir immer um die beste Finanzierungslösung für das Unternehmen.

Hauke Burkhardt, Deutsche Bank

Für die Zusammenarbeit der Banken mit Debt Funds gibt es im Markt im Prinzip zwei Modelle: Entweder die Bank legt sich auf einen Debt Fund als Kooperationspartner fest oder sie führt mit den Debt Funds eine Art „offene Beziehung“ und wählt den Kreditfonds situativ aus. „Ich glaube hier gibt es kein richtig oder falsch“, sagt Hauke Burkhardt. Die Strategie mit dem festen Kooperationspartner hat den Charme, dass dem Kunden eine Komplettlösung aus einer Hand angeboten werden kann.

Die Deutsche Bank kann dazu auf eine Art „Inhouse Debt Fund“ zurückgreifen. Laut Hauke Burkhardt sind das eigene Finanzierungsmittel der Bank, die aber mit Blick auf Finanzierungsvolumen, Leverage und Dokumentation den Parametern von Debt Funds entsprechen. „Ich beobachte im Moment sehr stark, dass Private-Equity-Investoren die Debt Funds bewusst selektieren und dann die passende Bank dazu suchen“, sagt Hauke Burkhardt.

Die weiteren Themen im Podcast mit Hauke Burkhardt

  • Wie bewertet der Kreditchef der Deutschen Bank den Vormarsch der Debt Funds aus bankstrategischer Sicht?
  • Schaut ein LBO-Banker anders auf die Kreditfonds?
  • Machen die Banken wirklich weniger LBO-Geschäft als früher?
  • Wie arbeitet die Deutsche Bank mit Debt Funds zusammen?
  • Was hat es mit dem „Inhouse Debt Fund“ der Deutschen Bank auf sich?
  • Wie sieht die Zukunft der Banken im Leveraged-Finance-Geschäft aus?
  • Was sind die Treiber für das Leveraged-Finance-Geschäft?
  • Was gibt es Neues aus dem Datenkeller?
  • Wer finanziert den digitalen und nachhaltigen Umbau unserer Wirtschaft?
  • Wie geht Transition Finance?
  • Wie könnte ein gemeinsames Ökosystem mit Banken und Debt Funds aussehen?

Über das und mehr hat Hauke Burkhardt im Podcast gesprochen. Den gibt es wie immer überall dort, wo es Podcasts gibt: Spotify, Apple, Deezer, Google, Amazon. Wir wünschen viel Spaß beim Hören. Let’s go!

Info-Box: Noch mehr spannende Interviews mit Leuten aus der Szene gibt’s in unserer Podcast-Audiothek. Und wie sich die Kreditmärkte 2022 entwickeln werden, war auch die Diskussionsfrage im „Financing Friday“ vom „Finance Think Tank“.

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