Leveraged Finance: Die Hintergründe zum Rekordjahr (#17)

11. März 2022 | Finanzierung | Leveraged Finance
Von Philipp Habdank

Der mittelständische Leveraged-Finance-Markt hat 2021 alle bisherigen Rekorde pulverisiert. Künftig nicht mehr mit dabei: Die BayernLB. Dafür ganz vorn mit dabei: die LBBW. Warum die Schwaben ausgerechnet dort angreifen, wo die Bayern keine Zukunft für sich sehen. Die große Jahresanalyse mit Thorsten Weber und Dagmar Hartmann.

2020 war die aktivste LBO-Bank ein Haus, das eigentlich gar keine LBO-Bank sein will. Und auch 2021 gibt es bei der Kür der aktivsten LBO-Bank wieder eine kuriose Randnotiz. Denn während die LBBW die meisten mittelständischen Private-Equity-Übernahmen finanzierte, stellte der Nachbar aus Bayern das Neugeschäft gänzlich ein. Im Podcast haben wir mit der Leiterin Acquisition Finance der LBBW, Dagmar Hartmann, und mit Thorsten Weber von der Investmentbank Houlihan Lokey (ehemals GCA Altium) über die Strategie der Schwaben im Leveraged-Finance-Geschäft und über ein in vielerlei Hinsicht krasses Jahr 2021 gesprochen. Auf geht’s!

Die Leveraged-Finance-Strategie der LBBW

Zunächst zur Strategie der Landesbank Baden-Württemberg. Die LBBW betreibt das mittelständische LBO-Geschäft nach eigener Aussage seit 20 Jahren und ist damit eine der wenigen Konstanten in diesem Geschäft. Denn mal ehrlich: Die Leveraged-Finance-Strategie vieler Geldhäuser unterliegt dann doch häufig – sagen wir mal: konjunkturellen Schwankungen. Tendenziell sind die Banken in diesem Geschäft auch eher auf dem Rückzug als im Angriffsmodus. Das berichten uns zumindest immer wieder die Finanzierungsberater.

Nicht so im Ländle, wo nicht nur die ein oder andere Sparkasse in der LBO-Finanzierung aktiv ist. Für die LBBW bleibt das Leveraged-Finance-Geschäft strategisch unverändert wichtig, weil es eine wichtige Säule im Firmenkundengeschäft ist. „Für uns ist nicht nur die Akquisitionsfinanzierung wichtig. Wir gewinnen durch das LBO-Geschäft Neukunden für die Bank“, sagt Dagmar Hartmann, die bei der LBBW das Geschäft für Akquisitionsfinanzierungen leitet. Einen ausgewiesenen Leveraged-Finance-Chef gibt es bei den Schwaben nicht. Das Geschäft muss im Gesamtkontext der gesamten Corporate-Finance-Strategie betrachtet werden.

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Der Private-Equity-Sponsor ist wichtig, aber die Bank ist vor allem an der Geschäftsbeziehung zu den Portfoliounternehmen interessiert. Die LBBW finanziert laut Dagmar Hartmann nicht nur mittelständische LBOs, sie macht auch Large-Cap-Geschäft, finanziert komplexe Holding-Finanzierungen, Carve-outs, öffentliche Übernahmen, Management-Buy-outs, Public-to-Private-Transaktionen, Recaps oder generell Unternehmensnachfolgeregelungen. Die LBBW arrangiert nach eigenen Angaben im Leveraged-Finance-Geschäft Kredite ab einem Volumen von 20 Millionen Euro und geht im Non-Investmentgrade bis zu 250 Millionen Euro ins Underwriting.

Bei größeren Summen brauchen die Schwaben dann die Unterstützung anderer Banken. Das Problem ist nur, dass im Markt offenbar kaum noch jemand ein Underwriting haben möchte. Laut Finanzierungsberater Thorsten Weber liegt das an den Debt Funds, deren Unitranche-Produkt von den Private-Equity-Investoren häufig bevorzugt wird. Warum? Weil das Underwriting im Nachgang die Syndizierung des Kredits an mehrere Banken erfordert; im Midcap Monitor von Houlihan Lokey in den Transaktionslisten an den Klammern zu erkennen, die über die letzte Zeit immer weniger wurden.

Midcap-Leveraged-Finance-Markt 2021 – Zahlen und Fakten

Immer mehr wird die Anzahl der mittelständischen LBO-Deals. Das Jahr 2021 hat in dieser Hinsicht alle Rekorde gesprengt: Der Midcap Monitor verzeichnete in Europa insgesamt 486 Unitranche-Finanzierungen mit Sponsorenhintergrund. Das sind 87 Prozent mehr als im Corona-Jahr 2020. In Deutschland gab es im vergangenen Jahr 161 Transaktionen, was ein Plus von 71 Prozent gegenüber dem Vorjahr und ein Zuwachs von 56 Prozent gegenüber dem bisherigen Rekordjahr 2017 war.

Thorsten Weber leitet den Boom aus der Zentralbankpolitik der vergangenen Jahre und der hohen Liquidität ab, die dadurch im Markt vorhanden ist. Marktseitig sind es vor allem zwei Branchen, die den Markt angetrieben haben: Software und Healthcare. 57 Prozent aller Finanzierungen hatten einen Link zu diesen beiden Sektoren – ein Ergebnis, das nach unserer Analyse des mittelständischen Private-Equity-Markts zu erwarten war. Dass sich in diesen gehypten Branchen eine gefährliche Blase bilden könnte, befürchten Thorsten Weber und Dagmar Hartmann allerdings nicht.

Mit Blick auf die Marktverteilung war das Bild 2021 sehr eindeutig. Zwar konnten die Banken im dritten Quartal ein wenig Boden auf die Debt Funds gut machen. Das war aber nur ein kurzes Momentum, denn am Jahresendsieg der Debt Funds konnte das nichts ändern: 60 Prozent aller mittelständischen LBO-Finanzierungen liefen über die Kreditfonds. Da der Marktanteil der Banken bei 37 Prozent liegt, bleiben noch drei Prozent übrig. Houlihan Lokey nennt sie „Banks Fund“, wir nennen sie Senior Debt Funds, denn dahinter verbergen sich laut Thorsten Weber Debt Funds, die Bankstrukturen und -konditionen mitgehen können. 3 Prozent sind noch nicht die Welt, aber es gibt offenbar zunehmend mehr Senior-Fonds am Markt; namentlich nennt der Finanzierungsberater Allianz, Akquivest, Hermes, Eurazeo und Muzinich.

Private Equity ist in Deutschland salonfähig, was auch an der Art und Weise liegt, wie die Branche inzwischen Deals macht. Buy and Build ist angesagter denn je, wie die Analyse der Finanzierungsanlässe zeigt: 34 Prozent aller Finanzierungen waren Primaries, 27 Prozent entfielen auf Add-ons, deren prozentualer Anteil in den letzten Jahren zugenommen hat. Private Equity recycelt sich weniger selbst (nur 17 Prozent Secondaries) und entzieht den Unternehmen während der Haltedauer auch weniger Cash (Anteil von Refi/Recaps 22 Prozent).

Deep Dive Leveraged Finance

Für unseren Deep Dive haben wir uns im Podcast dieses Mal drei Themen genauer angeschaut: Worauf kommt es bei der Add-on-Finanzierung an? Wer finanziert eigentlich die preemptive Deals, und wie steht die LBBW zu den Super-Senior-Strukturen?

Zu den Add-ons: Für die Add-on-Finanzierung spricht man laut Thorsten Weber in der Regel zunächst die Partei an, die auch das Plattforminvestment finanziert hat. Darum müsse die Add-on-Strategie von Anfang an mitgedacht werden: „Es ist dann ratsam auch Finanzierungsparteien an Bord zu nehmen, die nicht direkt am Anschlag sind, sondern künftig mit der Finanzierung wachsen können“, sagt Thorsten Weber. Tendenziell würden hier schon die Debt Funds eine größere Rolle spielen. Fatal ist laut Dagmar Hartmann, wenn die bestehenden Finanzierer bereits nach dem ersten Add-on an ihrem Limit sind und das Konsortium bereits für das zweite Add-on schon wieder aufgemacht werden muss.

Es ist ratsam auch Finanzierungsparteien an Bord zu nehmen, die nicht direkt am Anschlag sind.

Thorsten Weber, Houlihan Lokey

Zu den preemptive Deals: Im Rekordjahr 2021 hat Private Equity gerne abgekürzt. Häufig wurden M&A-Prozesse beendet, bevor sie richtig losgingen, weil ein Investor direkt all in gegangen ist. Dieses Tempo auf der Finanzierungseite mitzugehen, ist nicht leicht – vor allem für Banken. Laut Thorsten Weber gibt es drei Möglichkeiten, um solche Deals zu finanzieren:

  1. Der Private-Equity-Investor bezahlt all Equity und kümmert sich im Nachgang um die Finanzierung.
  2. Die bestehenden Lender stocken auf, was Weber zufolge den Charme hat, dass in diesem Fall zumindest schon einmal eine Due Diligence gemacht wurde, auf der sich aufbauen lässt.
  3. Oder: Es wird eine komplett neue Finanzierung in 2 bis 2,5 Tagen aufgesetzt, was eigentlich nur mit Debt Funds geht – und die Frage aufwirft, wie in dieser kurzen Zeit eine fundierte Due Diligence gemacht werden soll.

Thorsten Weber räumt im Podcast ein, dass es hierbei in erster Linie nicht darum geht, den perfekten Finanzierungspartner für die Zukunft zu finden. Es geht um Geschwindigkeit. Wie gesund oder ungesund diese Entwicklung ist, wird sich rückblickend zeigen. Aus der Branche erreichen uns zunehmend kritische Stimmen, die es bedenklich finden, dass das vorrangige Differenzierungsmerkmal im Leveraged-Finance-Geschäft für einen Finanzierer die Geschwindigkeit ist.

Wir haben aber auch immer die Möglichkeit, im Einzelfall die Entscheidung im Eilverfahren herbeizuführen.

Dagmar Hartmann, LBBW

Dagmar Hartmann ist natürlich bewusst, dass Schnelligkeit in diesem Geschäft unabdingbar ist. „Wichtig für uns ist aber auch eine qualitativ gute Analyse“, betont die Bankerin. Die LBBW könne Schnelligkeit zeigen, brauche im Vorfeld aber Zeit für die Analyse. Grundsätzlich gibt es bei den Schwaben wöchentliche Gremienentscheidungen. „Wir haben aber auch immer die Möglichkeit, im Einzelfall die Entscheidung im Eilverfahren herbeizuführen – und das round about innerhalb von zwei bis drei Tagen“, sagt Hartmann. Für die Frühphase der Transaktion hat die LBBW ein Pre-Komitee mit den relevanten Entscheidungsträgern. So könne sie sich frühzeitig und verlässlich das Go für eine Transaktion abholen. Klar ist aber auch: „Man braucht für dieses Geschäft ein starkes Commitment von Vorstandsseite“, sagt die Bankerin.

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Was die LBBW an den Folos stört

Zu den Folos: Das Super-Senior-Produkt hat sich im Markt inzwischen etabliert. Eine Bank und ein Debt Fund tun sich zusammen, die Bank im strukturellen Vorrang, der Debt Fund im Nachrang (First-out, Last out). Die aktivste Bank bei diesen Strukturen war 2021 – wie eigentlich jedes Jahr – Berenberg mit 6 Transaktionen. Bei den Debt Funds fällt Arcmont auf, die gleich fünf Mal in den Nachrang gegangen sind. Dagmar Hartmann hält wenig von diesem Konstrukt: „Weil es für uns in den meisten Fällen nicht ausreichend lukrativ ist, was die Rentabilität des Produkts angeht“, begründet die Bankerin. Sie gibt aber auch zu, dass die LBBW über kein Tranchen-Rating verfügt – ein Problem, das mehrere Banken haben sollen, wie wir gehört haben.

Weil es für uns in den meisten Fällen nicht ausreichend lukrativ ist, was die Rentabilität des Produkts angeht.

Dagmar Hartmann, LBBW

Störend findet Hartmann bei den Super-Senior-Finanzierungen vor allem, dass den Banken häufig nur die Betriebsmittellinie angeboten wird. Heißt: Der Debt Fund gibt der Bank nichts vom finanziell lukrativen Term Debt ab. Thorsten Weber schätzt, dass das bei und 60 Prozent der Anfragen der Fall sei, Dagmar Hartmann fühlt eher 80 Prozent. Damit sich die LBBW auf Super-Senior-Strukturen einlasse, müsse das Gesamtpaket aus LBO-Finanzierung und Cross-Sell-Potenzial beim Portfoliounternehmen stimmen – wir erinnern uns an den ganzheitlichen Corporate-Finance-Ansatz.

Die weiteren Themen im Podcast mit Dagmar Hartmann und Thorsten Weber

  • Wie lief der Merger von GCA Altium mit Houlihan Lokey, und wie finden das die Kunden in Deutschland?
  • Wie sortiert sich das GCA-Team mit dem Houlihan Team im Debt Advisory aus?
  • 7 Banken machen den Recap bei Rafi: Revival des Banken-Clubs?
  • Banken, Debt Funds und Senior Debt Funds
  • Branchenanalyse: Blasengefahr im Software- und Healthcare-Sektor?
  • Underwriting einer Bank vs. Unitranche eines Debt Funds. Wer gewinnt?
  • Neues aus dem Datenkeller: Die League Tables
  • Warum haben Banken im Leveraged-Finance-Geschäft noch eine Daseinsberechtigung?
  • Wie stellt die LBBW Transaktionsgeschwindigkeit sicher?
  • Warum es in Q4 doch wieder einen Tick mehr Refis und Recaps gab. Hat der Markt seinen Peak erreicht?
  • Mit welcher Art von Debt Fund arbeitet die LBBW gern zusammen?
  • Wie steht die LBBW eigentlich dazu, dass immer mehr Sparkassen das Leveraged-Finance-Geschäft für sich selbst entdeckt haben?

Über all das und noch mehr haben wir – so ausführlich wie nie – mit Thorsten Weber und Dagmar Hartmann im Podcast gesprochen; zu finden auf allen gängigen Plattformen: Spotify, Apple, Google, Deezer, Amazon. Wir wünschen viel Spaß beim Hören. Let’s go!

Info-Box: Noch mehr spannende Interviews aus der Corporate-Finance-Welt gibt’s in unserer Podcast-Audiothek. Noch mehr Hintergründe bieten die Themenseiten Finanzierung und Leveraged Finance.

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