Leverest – Freund oder Feind der Debt Advisor? (#27)

10. Juni 2022 | Leveraged Finance
Von Philipp Habdank

Leverest will die Finanzierungsplattform für LBO-Kredite werden, das Geschäft digitalisieren und verspricht Private Equity maximale Markttransparenz. Hat das Start-up eine Chance?

Im Vergleich zum B2C-Geschäft hat es zwar deutlich länger gedauert, doch die Digitalisierung hat inzwischen auch in die B2B-Welt Einzug gehalten und macht auch vor dem Corporate-Finance-Geschäft nicht halt: Ob im Devisenhandel, der Lieferkettenfinanzierung, dem M&A-Geschäft, dem Schuldschein und seit neuestem sogar dem Synloan (VC Trade Folge #25): Die ganze Branche ist von Fintechs besetzt, die sich als Plattform verstehen und das Geschäft digitalisieren möchten. Die ganze Branche? Nein! Ein von unbeugsamen Excel-Rittern verteidigter Branchenarm hört nicht auf der Digitalisierung Widerstand zu leisten: Die Leveraged-Finance-Szene.

Ex-PE-Manager Jens Alsleben kritisiert Debt Advisor

Der Markt ist von Intransparenz, viel händischer Arbeit und einer stetig steigenden Anzahl von Spielern geprägt. „Der Markt hat sich über die Jahre verändert“, sagt Jens Alsleben – auch hinsichtlich der Komplexität der Strukturen. „Irgendwann mussten wir [als Private-Equity-Investor] auf Debt Advisor zugreifen, weil wir schlicht den Überblick über den Markt verloren haben“, sagt der ehemalige Private-Equity-Manager, der lange das Deutschlandgeschäft des Finanzinvestors H.I.G geführt hat.

Was ihn an den Finanzierungsberatern störe? Am Ende oft das Gefühl zu haben, dass es da draußen eine Finanzierung gibt, die besser zum Deal gepasst hätte. „Und ganz ehrlich: Es gab auch Finanzierungsprozesse, wo ich die Erfahrung gemacht habe, dass ein bisschen Buddy-Business dahintersteckte und es bestimmte Dinge gab, die ich gar nicht zu sehen bekommen habe, obwohl sie super zu mir gepasst hätten“, kritisiert Alsleben.

Irgendwann mussten wir auf Debt Advisor zugreifen, weil wir schlicht den Überblick über den Markt verloren haben.

Jens Alsleben, Grossefreiheit

Leverest will dies ändern. Das Fintech ist nach eigener Aussage eine Digitalplattform für Leveraged-Finance-Transaktionen, auf der Kapitalsuchende – also Private-Equity-Investoren und Unternehmen – mit den passenden Finanzierungsgebern – also Banken und Debt Funds – in Kontakt treten und den Finanzierungsprozess größtenteils digital und damit effizient managen können.

Das vollmundige Versprechen von Gründer Jan-Moritz Hohn: Durch den Plattformansatz bekommt der Private-Equity-Investor maximale Transparenz über den Finanzierungsprozess und das beste Angebot für seinen Deal. Dieser Gedanke hat Charme, aber ist er auch realistisch? Wir haben im Podcast mit Leverest-Gründer Jan-Moritz Hohn und Leverest-Investor Jens Alsleben gesprochen.

Leverest sammelt Millionen bei bekannten Investoren ein

Zunächst einmal braucht es für den Bau solch einer Plattform Kapital. Bislang war das von Jan Moritz Hohn gegründete Start-up gebootstrappt – also komplett aus eigenen Mitteln und ohne Investorengelder finanziert. Ende März schloss das Fintech seine erste Finanzierungsrunde ab. Jens Alsleben ist einer von mehreren Investoren, die dem Fintech zusammen einen niedrig siebenstelligen Millionenbetrag zur Verfügung gestellt haben.

Zu den weiteren Investoren gehören neben der Beteiligungs-Managementgesellschaft Hessen unter anderem der Gründer des Private-Equity-Fintechs Moonfare, Alexander Argyros, der ehemalige CEO des Private-Equity-Unternehmens Bartec, Ralf Köster, und der ehemalige Managing Director des B2B-Fintechs Compeon, Alex Bierhaus. Aber auch der Start-up-Investor Hauke Hansen, Lakestar, und der Finanzierungsanwalt Martin Heuber von Mayer Brown haben investiert. Das Leverest-Team hält Hohn zufolge weiterhin die Mehrheit am Unternehmen.

Wie läuft der digitale Leveraged-Finance-Prozess ab?

Der Private-Equity-Investor stellt laut Hohn einen Deal auf die Plattform, für den er eine Finanzierung sucht. Die angeschlossenen Banken und Debt Funds können dann entscheiden, ob das Asset für sie interessant ist. Anschließend wird der passende Fremdkapitalgeber angesprochen und der folgende Prozess end to end digital durchlaufen, bis die wesentlichen Eckpunkte stehen und es an den Vertragsentwurf und die Finanzierungszusage (Comittment Letter) geht, wo dann in der Regel die Anwälte wieder händisch übernehmen.

„Der Prozess wird niemals komplett digital laufen, sondern es ist immer händische Arbeit notwendig“, weiß Hohn. Ein LBO-Kreditvertrag hat eine viel höhere Komplexität als beispielsweise eine stark standardisierte Immobilienfinanzierung oder der Schuldschein. Ob die händische Arbeit aber vom Private-Equity-Investor selbst, dem Finanzierungsberater oder dem Corporate-Finance-Team von Leverest übernommen wird, ist laut Hohn egal. Auch Debt Advisor können sich dem Gründer zufolge auf die Plattform schalten. Damit sei Leverest aber noch in der Pilotphase, weshalb bislang auch nur eine niedrig einstellige Anzahl von externen Finanzierungsberatern an die Plattform angeschlossen sei. 

Der Prozess wird niemals komplett digital laufen, sondern es ist immer händische Arbeit notwendig.

Jan Moritz Hohn, Leverest

Jens Alsleben zufolge hat die digitale Plattform einen weiteren Vorteil. Sie habe eine Art digitales Transaktionsgedächtnis. „Die Plattform speichert, welche Finanzierungsstrukturen diskutiert wurden und welche warum gescheitert sind“, sagt der Ex-PE-Manager. Es werde dokumentiert, welche Banken sich für was committet hätten und wo sie aus dem Prozess ausgestiegen seien. „Wenn du wechselnde Mitglieder in deinem Team hast, dann dieses Wissen nicht verloren und kann für Anschlussfinanzierungen oder den nächsten Deal verwendet werden“, sagt Alsleben.

Rund 100 Fremdkapitalgeber nutzen Leverest

Um das Versprechen der maximalen Markttransparenz von Hohn einlösen zu können, müssen an der Plattform allerdings auch nahezu alle Marktteilnehmer angeschlossen sein. So weit ist Leverest noch nicht, insgesamt sind laut Hohn derzeit knapp 100 Finanzierer an der Plattform angeschlossen. „Wir haben noch keine Abdeckung von 100 Prozent, aber es werden jede Woche mehr [Finanzierungspartner], sodass unser Netzwerk letztendlich breiter sein wird, als das Kontaktbuch des traditionellen Beraters“, kündigt Hohn an.

„Alle Top-Player bei den Banken und Debt Funds haben wir auf der Plattform“, sagt Hohn. Insgesamt sei es derzeit eine knapp dreistellige Zahl – überwiegend aus dem Small- und Midcap-Segment, wie ausgewählte Beispiele zeigen. Namentlich nennt Leverest auf der Homepage ELF Capital, Oddo BHF, Capza, Bright Capital, Apera, LGT, Cordet, Capital Four, Rantum Capital, Tikehau oder HF Debt, LFPI oder H.I.G White Horse. Aber auch Banken wie der letztjährige Marktführer LBBW oder die Raiffeisenbank International sind bereits angeschlossen. 

Alle Top-Player bei den Banken und Debt Funds haben wir auf der Plattform.

Jan Moritz Hohn, Leverest

Leverest mit zwei Deals in neun Monaten

Seit gut neun Monaten ist Leverest nun am Markt. Abgeschlossen wurden über die Plattform bislang zwei Transaktionen: Eine Add-on-Finanzierung für den Private-Equity-Investor EOS und eine zweistellige Millionenfinanzierung für einen namentlich nicht genannten LBO aus dem Energiesektor. Weitere werden laut Hohn derzeit verhandelt. Zum Vergleich: Die Schuldscheinplattform VC Trade kontrolliert inzwischen über 60 Prozent des Marktes, wie Gründer Stefan Fromme im Podcast berichtete. Für Leverest ist an dieser Stelle also noch viel Luft nach oben.

Der Leveraged-Finance-Markt schreibt auch old school Rekorde

Nur ein Bruchteil des Leveraged-Finance-Geschäfts läuft bislang über die Plattform. Zum Vergleich: Auf den traditionellen Weg hat das deutsche Midcap-Leverest-Finance-Geschäft 2021 ein absolutes Rekordjahr hingelegt mit 161 abgeschlossenen Transaktionen – und auch das erste Quartal 2022 war der Investmentbank Houlihan Lokey zufolge mit 37 Deals das beste aller Zeiten.

Das Geschäft läuft also auch ohne ein digitales Fintech. Das Versprechen von Leverest sind aber nicht mehr Deals, sondern digitalere, effizientere und passendere Deals. Wir werden mit Spannung verfolgen, ob es Leverest gelingen wird, den Markt zu erobern und das Versprechen der transparenten Plattform einzulösen – oder ob sich das Fintech an dem gallischen Leveraged-Finance-Dorf die Zähne ausbeißt.

Die weiteren Themen im Podcast mit Jan-Moritz Hohn und Jens Alsleben

Über all das und noch mehr haben wir in der aktuellen Folge gesprochen, die wie immer überall dort zu finden ist, wo es Podcasts gibt: Apple Podcasts, Spotify, Google Podcasts, Deezer, Amazon Music. Let’s go!

  • Was ist Leverest?
  • Wie groß sind die Teams in Berlin und Frankfurt?
  • Hintergründe zur Finanzierungsrunde und den Investoren
  • Warum hat Jens Alsleben investiert?
  • Hat das junge Gründerteam überhaupt die Erfahrung?
  • Leverest: Wichtig für Private Equity oder nur Arbeitserleichterung für Juniors?
  • Buddy-Business bei Finanzierungsberatern?
  • Freunde und Feinde von Leverest?
  • Wie verdient das Fintech Geld?
  • Das digitale Gedächtnis des Marktes
  • Wie viele Finanzierer sind auf der Plattform?
  • Debt Advisor drehen Ab- in Zusagen. Und die Plattform?
  • Wollen Banken und Debt Funds überhaupt Transparenz?
  • Auch ohne Leverest schreibt der Markt Rekordzahlen …
  • Wie viele Deal hat das Fintech schon gemacht?
  • Was ist die Vision?
  • Fragen-Quicky

Philipp.habdank@whatsup-cf.de

Info-Box: Noch mehr spannende Interviews aus der Corporate-Finance-Welt gibt’s in unserer Podcast-Audiothek. Mehr Hintergründe zu Banken und Finanzinvestoren liefert die Themenseite Leveraged Finance.

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