Die Hintergründe zum Banken-Deal von VC Trade (#25)

27. Mai 2022 | Finanzierung
Von Philipp Habdank

Die jüngste Kapitalerhöhung des B2B Fintechs VC Trade sorgte für Aufhören in der Branche. Drei Banken haben sich mit Equity beteiligt, weitere könnten folgen. Wir haben uns umgehört, Details zur Finanzierungsrunde aufgetrieben und mit Gründer Stefan Fromme über seine Vision für den digitalen syndizierten Kredit gesprochen.  

Mit der BayernLB, Helaba und Raiffeisen Bank International (RBI) haben sich gleich drei Banken an dem B2B-Fintech VC Trade beteiligt – ein womöglich richtungsweisender Deal für die Schuldscheinbranche. Wir haben darum etwas herumgeschnüffelt und herausgefunden, dass jede der drei Banken nun 10 Prozent an VC Trade hält.

Die Bewertung dürfte sich wohl um die 50 Millionen Euro bewegen. „Für 10 hätten wir es sicherlich nicht gemacht, für 100 mit einem Strategen auch. Wenn man sich irgendwo in der Mitte orientiert, liegt man nicht schlecht“, sagt Stefan Fromme im aktuellen Podcast bei „What’up, Corporate Finance?“.

VC Trade gibt Private Equity einen Korb

Die Bewertungspannen für Fintechs wie VC Trade gehen weit auseinander – je nachdem, mit welchem Kaufinteressenten man spricht. Bei Strategen (in diesem Fall Banken) sitzt das Geld sicherlich nicht so locker wie vergleichsweise bei Finanzinvestoren. Mit Private Equity war Fromme auch im Gespräch, wie er im Podcast verrät. Dennoch hat er sich bewusst gegen das Geld von Private Equity und für den strategischen Mehrwert der Banken entschieden.

Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist das Geschäftsmodell von VC Trade sehr stark auf Banken ausgerichtet. Zum anderen ist für Fromme der Schutz seiner Kundendaten, die Wahrung der Neutralität und die eigene Entscheidungshoheit alles entscheidend. Das spricht gegen Private-Equity-Investoren, die gern die Mehrheit an ihren Unternehmen halten. „Als Stratege forciere ich die technologische Lösung, wo ich auch Equity halte. Ja, Private Equity Equity hat vielleicht die höheren Bewertungen, da sitzt das Geld teilweise lockerer. Aber hilft das über die lange Unternehmensentwicklung hinweg? Ich kann nicht alles mit Geld heilen“, erklärt Fromme den Korb für Finanzinvestoren.

Wir haben im Rahmen der Transaktion durchaus Bankpartner verloren.

Stefan Fromme, VC Trade

Aber auch die ein oder andere Bank, mit der VC Trade im Gespräch war, haben Frommes hohe Ansprüche an eine unabhängige Governance abgeschreckt. „Wir haben im Rahmen der Transaktion durchaus Bankpartner verloren“, sagt Fromme und verweist auf die komfortable Situation: „Wir brauchen keine zwingende Kapitalerhöhung, wir nehmen nicht jedes Geld, das verfügbar ist“, so Fromme. Der Schwabe zeigt sich aber offen, noch mehr Partner aufzunehmen.

Steigt auch die HSBC bei VC Trade ein?

Wer käme dafür in Frage? Da das Gründerteam laut Fromme die Mehrheit nicht abgeben möchte und kein Partner in der Kapitalstruktur eine dominierende Rolle einnehmen soll, bleibt theoretisch Platz für zwei weitere Anteilseigner – vielleicht mehr, sollten die bestehenden Banken dazu bereit sein, ihre Anteile bei der nächsten Kapitalerhöhung auf 5 Prozent zu verwässern.

Die Landesbanken scheinen ihre Entscheidung in Sachen Plattformbeteiligung vorerst getroffen zu haben. Sie sind entweder an VC Trade beteiligt (Helaba und BayernLB) oder haben ihre eigenen Plattformen, wie die NordLB mit Finpair und die LBBW mit Debtvision. Die Schwaben kündigten auf Nachfrage an, weiter in Debtvision investieren zu wollen. „Als erster Schritt dieser Entwicklung wurde im ersten Quartal 2022 eine umfassend überarbeitete Version der Plattformsoftware ausgerollt. Der nächste Schritt ist bereits in Umsetzung – die LBBW wird ihren Schuldscheinprozess mit Hilfe der neuen Plattformsoftware modernisieren“, schreibt die Bank.

Die HSBC hat mit uns ein NDA und prüft verschiedene Dinge.

Stefan Fromme, VC Trade

Und wie reagieren die Großbanken wie HSBC, Deutsche Bank, Commerzbank, Unicredit oder BNP Paribas? Speziell bei der HSBC liegt der Verdacht nahe, dass sie über eine Equity-Beteiligung nachdenken könnte, schließlich hat sie ihre eigene digitale Schuldscheinplattform Synd-X bereits aufgegeben und mit VC Trade zusammengelegt. „Die HSBC hat mit uns ein NDA und prüft verschiedene Dinge“, sagt Fromme. Unabhängig von einer Eigenkapitalbeteiligung arbeite VC Trade mit der HSBC bei einem viel größeren Ding zusammen als dem digitalen Schuldschein: dem digitalen syndizierten Kredit.

„Für uns ist die Welt viel größer als der Schuldschein. Das Thema Infrastruktur, wie können wir Geschäft wirklich abbilden, das ist etwas was zum Beispiel den Synloan betrifft und der Markt ist am Ende 30, 40 vielleicht 50 mal so groß wie der Schuldschein“, sagt Fromme. Der Schuldscheinmarkt sei für eine Plattform zwar auskömmlich, aber am Ende ein Nischenmarkt und damit nicht skalierbar. Aus diesem Grund glaubt Fromme auch nicht, dass Private Equity nun auf die verbliebenen Schuldscheinplattformen zugehen wird, zumal VC Trade für sich 60 bis 70 Prozent Marktanteil beansprucht.

VC Trade und die Vision für den digitalen syndizierten Kredit

Der Schuldschein dürfte für VC Trade damit abgehakt sein. Die frischen Mittel aus der Kapitalerhöhung sollen in das Synloan-Projekt fließen. Die exakten Investitionskosten für das Projekt sind Fromme zufolge schwer zu schätzen. Allein die Aufwendungen für die Technologie beziffert er auf rund 15 Millionen Euro. Dieses Vorhaben sei durch die Kapitalerhöhung gedeckt, sodass er in den nächsten Jahren in Ruhe arbeiten könne. Für Fromme hat der Investitionsplan mehrere Bausteine:

  • Es muss eine Community entstehen, die an einem Ort Geschäft macht.
  • Es braucht die nötige Infrastruktur, die alle dafür notwendigen Workflows vollständig abbilden kann.
  • Die Infrastruktur muss so hochsicher sein, dass sie vom gesamten Markt genutzt wird.
  • Und es braucht einen zentralen Umgang mit den Daten.

Fromme vergleicht VC Trade mit dem elektronischen Wertpapierhandelsplatz Xetra. Seine Vision: Er möchte den digitalen Marktplatz für Kredite schaffen und die nötige Infrastruktur liefern. Selbst wenn sich potenzielle Kreditgeber auf dem Marktplatz getroffen haben, gehen die Fragen dann erst los: Wie exekutiere ich das Geschäft? Wie kommt rechtsverbindliches Geschäft zustande? Wie sieht eine Dokumentation aus? Wie werden Geschäftsbestätigungen gegenbestätigt? Wie verfolgt der Eigentumsübergang? All das will VC Trade digital abbilden. Im Schuldscheinmarkt funktioniere das bereits, er war quasi das digitale Testlabor. Beim syndizierten Kredit braucht es Fromme zufolge noch zwei Jahre bis zur technologischen Marktreife. Die breite Marktakzeptanz sei dann nochmal eine andere Geschichte. 

Sollte dem Fintech das gelingen, wird es auch auf der Equity-Seite interessanter für die Großbanken. Die dürften weniger am traditionell stark von den Landesbanken dominierten Schuldschein, sondern am weitaus größeren und internationaleren Synloan-Markt interessiert sein – und hier kommt auch der Sekundärmarkt ins Spiel, also der Handel von bestehenden Krediten. Das wiederum würde das Fintech auch für Strategen außerhalb der Bankenwelt interessant machen, nämlich für Infrastrukturbetreiber – Börsen. Völlig abwegig ist der Gedanke nicht, schließlich hat beispielsweise die Deutsche Börse schon die Devisenhandelsplattform 360T gekauft. 

Die weiteren Themen im Podcast mit Stefan Fromme

Über all das und noch mehr haben wir im Podcast mit Stefan Fromme gesprochen. Unserer Themen:

  • Das Ding mit der Unabhängigkeit
  • Start-up oder Unternehmen: Was ist VC Trade?
  • Warum hat sich VC Trade für Strategen und gegen Finanzinvestoren entschieden?
  • Was bedeutet das Equity-Komittment der drei Banken für die übrigen Plattformen, wie Finpair, Debtvision, Firstwire & Co?
  • Wie unterscheiden sich die Schuldscheinplattformen?
  • Was VC Trade mit Amazon und Clearing-Stellen zu tun hat
  • Welche dicken Bretter muss VC Trade beim digitalen Synloan bohren?
  • Wann ist der digitale SynLoan marktreif?
  • Wie VC Trade Kernbankensystemen den Kampf ansagt
  • Fragen-Quicky (heute mal als Thesen-Check zum digitalen Schuldschein)

Die Folge ist wie immer überall dort zu finden, wo es Podcasts gibt: Apple Podcasts, Spotify, Google Podcasts, Deezer, Amazon Music. Wir wünschen viel Spaß bei Hören. Let’s go!

philipp.habdank@whatsup-cf.de

Info-Box: Noch mehr spannende Interviews aus der Corporate-Finance-Welt gibt’s in unserer Podcast-Audiothek. Zum ausführlichen White Paper zum digitalen Schuldschein mit den Thesen aus dem Fragen-Quicky geht’s hier lang

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