Wenn die Sanierung an Egos und Emotionen scheitert

6. August 2021 | Restrukturierung
Von Bastian Frien

Eine Restrukturierung bedeutet Stress für alle Beteiligten: Der Unternehmer bangt um das Lebenswerk, das Management will das eigene Scheitern verhindern, und die Finanziers und Investoren wollen ihr Kapital schützen. In dieser Konstellation sind Emotionen so verständlich wie tödlich für den Sanierungserfolg.

Sie sind der unangenehme Teil des Corporate-Finance-Geschäfts: Bei Restrukturierungen haben die Beteiligten wenig zu gewinnen, aber mitunter alles zu verlieren. Dass eine Sanierung scheitern kann, liegt in der Natur der Sache. Nicht jedes finanziell angeschlagene Unternehmen und Geschäftsmodell ist zukunftsfähig. Oft scheitert eine Restrukturierung aber an viel banaleren Gründen: den Egos und Emotionen der handelnden Personen. Ob Unternehmer, Manager, Banker oder Investor: jeder verfolgt bei einer Restrukturierung seine eigene Agenda.

In der Web-Event-Reihe „Turnaround Tuesday“ unseres Schwestermediums „FINANCE Think Tank“ haben die drei Sanierungsexperten Sven Prüfer (Allen & Overy), Holger Rabelt (Commerzbank) und Johann Felix Stohner (Alvarez & Marsal) offen über die Psychologie in der Restrukturierung geplaudert.

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Wer hat in der Restrukturierung was zu verlieren?

Gründer und Gesellschafter begreifen oft erst als letztes wie ernst es um das Unternehmen wirklich steht und sind bei Restrukturierungen oft am emotionalsten, weil sie um ihr Lebenswerk bangen. Gründer und Manager haben in der Regel am meisten „Skin in the Game“ und damit finanziell am meisten zu verlieren.

Das Management steht ebenfalls unter Druck, weil die Top-Manager für die Strategie des Unternehmens verantwortlich sind. War diese zu aggressiv, fürchtet das Management um seinen Ruf und seine berufliche Existenz.

Gewerkschaften dagegen fürchten um die Jobs und Existenzen der Belegschaft und sehen im Management gerne den Sündenbock für die Misere – insbesondere dann, wenn hohe Abfindungen im Spiel sind.

Und dann wären da noch die finanzierenden Banken. Sie haben in der Regel keine emotionale Bindung zum Unternehmen, fürchten deswegen aber nicht weniger um ihr Geld. Gerät ein Unternehmen in Schieflage, wechselt bei der Bank in der Regel der Ansprechpartner. Der Firmenkundenbetreuer ist raus, der Work-out-Banker übernimmt. Dieser externe Blick auf das Unternehmen nimmt Emotionen aus der Restrukturierung heraus – allerdings nur, wenn sich der Work-out-Banker nicht hinters Licht geführt fühlt. Wenn er nur zwei Wochen nach Verlängerung der Linie über Abweichungen informiert wird, zeigt auch der nüchterne Work-out-Banker Emotionen.

Fünf Tipps für eine möglichst emotionslose Restrukturierung

  • emotionale Landkarte erstellen: wer steht emotional wo und hat was zu verlieren?
  • rasch und belastbar auf den Punkt kommen (sobald der Gesellschafter den Ernst der Lage erkannt hat).
  • Formulierung von Maximalforderungen bringen nichts, damit kommt sowieso niemand durch.
  • einzelne Querulanten ausbezahlen: das tut weh, kann für den Gesamtprozess dennoch sinnvoll sein.
  • Plain-Vanilla-Lösungen der Banken sind gut gemeint, bringen oft aber nichts, weil die Gemengelage nicht so einfach ist wie von der Bank vermutet.

Wer leistet welchen Restrukturierungsbeitrag?

Am Ende läuft es bei jeder Restrukturierung auf eine so banale wie knifflige Frage hinaus: Wer leistet welchen Sanierungsbeitrag? Das leidige Thema der Gerechtigkeit ist der Dreh- und Angelpunkt für die Einigung.

Um eine unkomplizierte Lösung für das Unternehmen zu ermöglichen, müssen Banken häufig einen größeren Beitrag leisten als beispielsweise Schuldschein- oder Anleihegläubiger. Das ist nicht fair, aber notwendig für den Sanierungserfolg. Klar ist aber auch: Die Banken wollen nicht als einziges Bluten und fordern daher – insbesondere wenn ein Private-Equity-Investor in der Restrukturierung involviert ist – einen Beitrag der Gesellschafter auf der Eigenkapitalseite.

Der Ansatz der Gleichbehandlung ist bei der Sanierung zum Scheitern verurteilt. Eine Restrukturierung ist zeitintensiv und gelingt nur über Kompromisse – und der ist nur möglich, wenn sich die Beteiligten vertrauen und der operativ verantwortliche Restrukturierer maximale Transparenz schafft. Er muss alle Stakeholder darüber informieren, wohin es gehen soll und wo es Fallstricke gibt. Und noch viel wichtiger ist es, dass der Plan anschließend genauso umgesetzt wird, wie angekündigt.

Ist das noch Verhandlungsdruck oder schon Erpressung?

Keine Restrukturierung kommt ohne Verhandlungsgeschick aus. Das ist aber auch immer eine Gratwanderung, denn die Grenzen zwischen Verhandlungsdruck und Erpressung sind fließend. Da das Vertrauen für eine Kompromisslösung entscheidend ist, darf der Bogen hier nicht überspannt werden.

Einem Beteiligten die metaphorische Pistole auf die Brust setzen, bringt in der Regel ähnlich viel, wie Maximalforderungen aufzustellen: nichts. Nüchtern zu skizzieren, was ohne Einigung unweigerlich passieren wird (im Idealfall von einem Gutachten Dritter gestützt) kann alle wieder auf das gemeinsame Ziel einschwören und auch als ungerecht empfundene Zugeständnisse ermöglichen.

Wer sich nicht benehmen kann, hat am Verhandlungstisch nichts verloren. Emotionen sind in der Restrukturierung unvermeidbar, aber sie müssen erkannt und gemanagt werden. Denn egogetriebenen Stellungskriege und Schützengräben helfen keiner Restrukturierung.

bastian.frien@whatsup-cf.de

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