Mutares und der abnormale Kapitalmarkt (#29)

8. Juli 2022 | Finanzierung | M&A
Von Philipp Habdank

Abgeblasener Bond und Börsengang, aber schon sieben Zukäufe: Der Turnaround-Investor Mutares hat ein spektakuläres Halbjahr hinter sich. Im Podcast spricht Investmentchef Johannes Laumann über seinen neuen Lieblingsdeal mit Mann+Hummel für den er an die finanzielle Schmerzgrenze gegangen ist – und er gibt Einblicke in die jüngsten Investorengespräche.

Johannes Laumann ist urlaubsreif. Das verriet der Investmentchef des börsennotierten Turnaround-Investors Mutares im Podcast, und das nimmt man ihm auch zweifelsohne ab – schließlich hat der Mutares-Mann gerade 100 Investorentermine in den vergangenen drei Wochen hinter sich. Besonders bitter für ihn: Der ganze Stress war umsonst. Weder die angedachte Emission der bis zu 175 Millionen Euro schweren Folgeanleihe für die Mutares-Holding noch der avisierte Börsengang des Portfoliounternehmens Nordec in Finnland werden stattfinden – aufgrund der „abnormalen Situation an den Kapitalmärkten“ blies der Investor beide Prozesse vor wenigen Tagen ab.

„Wir waren wahrscheinlich in der mit Abstand schlechtesten Zeit der letzten zehn Jahre draußen am Markt“, konstatiert Laumann. Beide Finanzierungen wurden vor dem 24. Februar angestoßen, bevor Russland mit dem Überfall auf die Ukraine die Welt und die Märkte auf den Kopf stellte. Wahrscheinlich hätte Mutares sowohl die Anleihe als auch den Börsengang irgendwie durchziehen können, doch der Preis dafür war Laumann zu hoch.

Mutares wollte Anleihe, aber nicht um jeden Preis

Die Anleihe hätte Laumann im dreistelligen Millionenbereich platzieren können („irgendwas zwischen 120 und 140 Millionen wäre ideal gewesen“), allerdings zu einem Kupon, der in seinen Worten „verrückt“ gewesen wäre. 850 bis 900 Basispunkte hätten Investoren von Mutares für das neue Papier verlangt – und das, obwohl der Investor die Anleihe mit Gesellschafteranteilen (Share Pledges) von drei Portfoliounternehmen besichert hätte. Zum Vergleich: Für die ausstehende und bis Februar 2024 laufende und 80 Millionen Euro schwere Anleihe bezahlt Mutares 6 Prozent zuzüglich Euribor. Mit dem Geld der aus der Anleihe finanziert der Finanzinvestor strategische Add-ons für seine sanierten Portfoliounternehmen.

Ein kurzer Exkurs zum Geschäftsmodell von Mutares: Der Investor kauft mit den Worten von Laumann „Müll und macht daraus Diamanten.“ Heißt konkret: Der Turnaround-Investor übernimmt von einem Konzern einen strategisch unpassenden oder restrukturierungsbedürftigen Geschäftsbereich, bezahlt dafür den obligatorischen 1 Euro, bekommt vom Verkäufer eine finanzielle Mitgift und macht die Firma wieder fit (2/3 der Transaktionen).

Nach der Restrukturierung wird das Unternehmen entweder direkt verkauft oder durch Zukäufe zunächst noch weiterentwickelt. Für die qualitativ hochwertigen Add-ons bezahlt Mutares dann auch einen Kaufpreis (1/3 der Transaktionen). Mutares verfolgt dann wie Private Equity eine Buy-and-Build-Strategie – nur andersrum, denn Private Equity geht für die Plattform finanziell all-in und kauft anschließend günstig zu.

Wirtschaftlich, nachhaltig wäre es Quatsch gewesen, die Anleihe mit aller Macht zu platzieren.

Johannes Laumann, Mutares

So verrückt die Fremd- und Eigenkapitalmärkte gerade sind, so gut läuft es M&A-Markt. Während normale Private-Equity-Investoren vorsichtiger würden, herrsche bei den Turnaround-Investoren wieder Goldgräberstimmung. „Meine Pipeline ist brechend voll“, frohlockt Laumann. Fraglich ist nur, wie er sie realisieren kann. Die Frage, ob Mutares ohne das frische Anleihegeld nun weniger Deals realisieren könne, lächelt Laumann im Podcast charmant weg. An dem ausgegebenen Ziel, in diesem Jahr pro Monat eine Firma zu kaufen, hält er aber trotz gefloppter Anleiheemission fest.

Zudem hält Laumann eine Rückkehr von Mutares an den Anleihemarkt zu einem späteren Zeitpunkt für wahrscheinlich. Allerdings noch nicht im Sommer, sondern frühestens im vierten Quartal. „Ich glaube, dass es einen sukzessiven Anlauf des Marktes wieder geben muss, weil wenn alles auf einen Schlag kommt, ist das auch nicht gesund“, so Laumann.

Nordec-IPO vom Tisch, Verkauf an Strategen die wahrscheinlichste Lösung

Ein späterer Börsengang der Nordec Group scheint hingegen sehr unwahrscheinlich. Das Unternehmen baut Stahlrahmenkonstruktionen und Fassadenlösungen für Bauprojekte in den nordischen Ländern und macht sein Geschäft hauptsächlich in Finnland – ein Land, das rund 1.300 Kilometer Außengrenze zu Russland hat und in die Nato strebt. „Der 24. Februar hat uns im Prozess natürlich nicht geholfen“, sagt Laumann.

Das Unternehmen selbst sei robust und wachse jedes Jahr verlässlich wie ein Schweizer Uhrwerk. Auch die Nachfrage institutioneller Investoren war Laumann zufolge gegeben. Das Problem sei eine ganz schwache Nachfrage von Privatanlegern gewesen, die für einen Börsengang dieser Größenordnung (65 bis 70 Millionen Euro) aber essentiell wichtig sei. „Bei so einem Wert brauchst du den Retail-Markt, ansonsten zerbombt es dir den Kurs nach dem IPO“, sagt Laumann.

Dann hockst du auf deiner Minderheit und kannst zugucken, wie sie an Wert verliert.

Johannes Laumann, Mutares

Mutares sei kein Minderheitsinvestor. „Für uns ist ein klarer Exit immer der deutlich lukrativere, auch wenn er vielleicht zwei Milliönchen weniger bringt“, sagt Laumann. Es bringe nichts, die Mehrheit zu einem vernünftigen Preis [an der Börse] zu platzieren, wenn der Kurs anschließend um 30 oder 40 Prozent abrausche, weil kein Handelsvolumen vorhanden sei. „Dann hockst du auf deiner Minderheit und kannst zugucken, wie sie an Wert verliert“, so Laumann.

Alternativ zum Börsengang verbleiben Mutares theoretisch noch zwei Exit-Möglichkeiten: Der Verkauf der Firma an das Management – was Laumann zufolge wohl „ein bisschen teuer“ wäre – oder eben an einen Dritten. Wie bei Börsengängen üblich, arbeiten Unternehmen gern mit dem sogenannten Dual-Track-Verfahren, was bedeutet, dass parallel zum Börsengang auch ein Verkauf vorbereitet wird. Das dürfte auch bei der Nordec Group der Fall gewesen sein, weshalb der baldige Verkauf an einen Strategen nach unseren Informationen derzeit die wahrscheinlichste Exit-Lösung darstellt.

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Mann+Hummel passt für Mutares wie „Arsch auf Eimer“

Es gibt aber auch gute Nachrichten bei Mutares. Der M&A-Markt brummt und der Turnaround-Investor hat nach dem Rekordjahr 2021 mit 14 Zukäufen, allein in diesem Jahr schon wieder sieben Unternehmen akquiriert. Eines davon ist das „braune“ Geschäft mit Hochleistungskunststoffteilen von Mann+Hummel – ein strategisches Add-on für das sanierte Portfoliounternehmen LMS, das laut Laumann wie „Arsch auf Eimer“ passe.

Im Podcast verrät Laumann, dass die Verhandlungen mit Mann+Hummel wohl die schwersten als auch die schönsten in seiner bisherigen Karriere waren. Warum, erfahrt ihr im Podcast. Fakt ist: Laumann und Mutares wollten das Unternehmen unbedingt haben und mussten dafür finanziell wohl an die Schmerzgrenze gehen, die wohl bei rund 20 Millionen Euro liegen dürfte.

Wir haben einen zweistelligen Millionenbetrag bezahlt.

Johannes Laumann, Mutares

Die von uns im Markt aufgeschnappten 100 Millionen Euro hält Laumann für eine wunderbare Zahl, die aber völlig verrückt sei. Auch 50 Millionen seien völlig verrückt. „Wir haben einen zweistelligen Millionenbetrag bezahlt“, präzisiert Laumann. Schließlich sei die Firma auch einfach eine „geile Bude“, die 500 Millionen Euro Umsatz mache und kein Geld verbrenne, sondern operativ ein zweistelliges Millionenergebnis einfahre.

In Frankreich habe Mutares früher einmal 20 Millionen Euro bezahlt – eine Summe, die dem Investor damals sehr schwergefallen sei. „Auch Mann+Hummel ist uns sehr schwergefallen, aber den Kaufpreis holen wir über die Synergien mit LMS wieder rein“, glaubt Laumann. Den Hauptsitz hat LMS übrigens in Frankfurt – und wer weiß: Vielleicht klappt es dort an der Börse ja besser als zuletzt in Finnland.

Die weiteren Fragen und Themen im Podcast mit Johannes Laumann

  • Exklusive Einblicke in die jüngsten Investorenverhandlungen von Mutares
  • Warum sind Bond und Börsengang gefloppt?
  • Wann gibt es einen neuen Anlauf?
  • Unter welchen Bedingungen wären beide Transaktionen darstellbar gewesen?
  • Kann Mutares ohne die neue Anleihe jetzt weniger zukaufen?
  • Wird Nordec nach dem gescheiterten Börsengang jetzt verkauft?
  • Koppeln sich die public und private Märkte immer weiter voneinander ab?
  • Wie Private Debt die aktuelle Situation an den Kapitalmärkten ausnutzt
  • Welche Großunternehmen den Markt gerade mit Assets fluten
  • Kaufpreis, Investmentthese & Co.: Die Hintergründe zum Deal mit Mann+Hummel
  • Mutares‘ Geschäftsmodell: Buy and Build, nur andersrum
  • Und Johannes Laumann gibt Einblick in sein Seelenleben und verrät, warum die Verhandlungen mit Mann+Hummel die härtesten, gleichzeitig aber auch die schönsten seiner bisherigen Karriere waren.
  • Fragen-Quicky

Über all das und noch mehr haben wir in der aktuellen Folge mit Johannes Laumann gesprochen, die wie immer überall dort zu finden ist, wo es Podcasts gibt: Apple Podcasts, Spotify, Google Podcasts, Deezer, Amazon Music. Let’s go!

philipp.habdank@whatsup-cf.de

Info-Box: Noch mehr Interviews aus der Corporate-Finance-Szene gibt’s in unserer Podcast-Audiothek. Noch mehr Finanzierungsgeschichten liefert die Themenseite Finanzierung.

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