Private Equity und der Mythos Buy & Build (#28)

24. Juni 2022 | Private Equity
Von Philipp Habdank

Buy and Build ist die Wertsteigerungsstrategie der Stunde. Aber sind Private-Equity-Investoren wirklich so gute Baumeister, wie sie immer behaupten zu sein? Eine brandneue Studie der Lancaster University gibt Aufschluss darüber, liefert konkrete Performance-Zahlen – und räumt mit einem ungeschriebenen Marktgesetz auf.

Rund jeder dritte Buy-out ist inzwischen eine Plattformtransaktion, die als Basis für weitere Add-on-Akquisitionen dient. Das behauptet Benjamin Hammer im aktuellen Podcast. Der Wissenschaftler der Lancaster University Management School forscht zu Private Equity und ist Co-Autor einer neuen und unabhängigen Studie, die uns exklusiv vorliegt und die Buy-and-Build-Strategien von Finanzinvestoren sowohl quantitativ als auch qualitativ untersucht hat.

Hammer und sein Team haben zwischen 1997 und 2020 weltweit 3.399 Buy-outs analysiert (die meisten Deals aus Europa) für die den Wissenschaftlern vollumfängliche Kaufpreisdaten vorlagen. Die Informationen stammen aus der Datenbank von Bureau van Dijk – ein Datenanbieter, der sich selbst in Private-Equity-Hand befindet. Für die Analyse der Perfomance während der kompletten Haltedauer greift die Studie auf proprietäre Daten eines europäischen Dachfonds zurück.

Die quantitativen Ergebnisse wurden zudem in einer anonymen Umfrage unter 32 Private-Equity-Managern gegengetestet, von denen laut Hammer 18 mit einem deutschen Private-Equity-Fonds assoziiert sind. Die Studienergebnisse dürften also aussagekräftig für den deutschsprachigen Markt sein. „Alle Ergebnisse, die wir anhand der Daten gemessen haben, wurden in der Umfrage bestätigt“, sagt Hammer.

Die zentralen Ergebnisse der Buy-and-Build-Studie

Die Studie untersuchte drei Forschungsfragen für Primary-Buy-outs, also wenn Private Equity direkt von den Gründern oder Eigentümern und nicht von einem anderen Finanzinvestor kauft:

  1. Zahlt Private Equity eine Kaufpreisprämie für Plattform-LBOs, und wie hoch fällt diese aus?
  2. Wie verhält sich die Zahlungsbereitschaft von Private Equity mit der von Strategen für vergleichbare Unternehmen?
  3. Schafft Private Equity mit Buy and Build eine Überrendite, und wo kommt diese her?

Alle Fragen beantwortet die Studie mit einem klaren „Ja“. Ja, Private Equity zahlt eine Prämie für Plattformtransaktionen. Gemessen am Umsatz-Multiple (Enterprise Value / Umsatz) liegt diese im Schnitt bei 28 Prozent. „Die Plattformen kosten 20 bis 30 Prozent mehr als ein Single Buy-out ohne Add-on-Akquisitionen kosten würde“, so Hammer. Rund drei Viertel der befragten Private-Equity-Manager gaben zudem an, dass sie Prämien für Plattformen bezahlen.

Ja, Private Equity kann Strategen beim Kaufpreis die Stirn bieten. „Die von Private Equity bezahlten Prämien sind vergleichbar mit den Preisen, die Strategen für vergleichbare Zielunternehmen bezahlen“, sagt Hammer. Wie das? Strategen können in ihren Bewertungsmodellen Synergie-Effekte einrechnen, die ein Single-LBO-Unternehmen nicht hat – der Plattform-LBO durch die Add-ons aber schon. Rund drei Viertel der befragten Private-Equity-Manager gaben an, dass Add-ons Teil des Bewertungsmodells für die Plattform sind.

Und ja, Buy-and-Build-Strategien bringen im Vergleich zu Single-Buy-outs auch eine Überrendite. Laut Hammer liegt diese (gemessen am IRR) bei 10 bis 15 Prozentpunkten – ein spürbarer Unterschied. „Wenn wir den IRR zerlegen, dominieren dabei das Top-Line-Wachstum und die Multiple Expansion“, sagt der Wissenschaftler. Grundsätzlich lasse sich ein IRR in vier Treiber herunterbrechen: Top-Line- und Bottom-Line-Wachstum (operative Verbesserungen) sowie Multiple Expansion und Deleveraging (nicht operative Wertsteigerungen).  

Private Equity: Buy high, sell higher

Die Studie unterfüttert erstmalig mit Zahlen, was die Private-Equity-Branche seit langem behauptet: Buy and Build scheint derzeit wirklich die überlegene Investment-Strategie für Private Equity zu sein, obwohl die Branche horrende Kaufpreise für die Plattformen bezahlt.

Die Studie deutet aber auch an, wie Finanzinvestoren ihr Geld verdienen: nämlich weniger mit dem Build, sondern vor allem mit dem Buy. Der ursprüngliche Titel der Studie „Do Private Equity Investors pay for Synergies?“ hat es zumindest nicht in die Endfassung geschafft. Weil die Realisierung der Synergien für den finanziellen Erfolg doch kein Thema ist? „Es ist auch ein Thema, aber die Multiple Arbitrage ist mindestens genauso wichtig“, sagt Hammer.

Die Multiple-Arbitrage wirkt auf zwei Wege …

a) Durch die günstigeren Add-ons sinkt im Schnitt das gezahlte Einstiegs-Multiple. Laut Hammer bringen die Add-ons im Schnitt nur 10 Prozent des Plattformunternehmenswertes auf die Waage. Die Ebitda-Multipels für Add-ons fallen der Studie zufolge durchschnittlich um 22 Prozent geringer aus.

b) Durch die Add-ons wird die Plattform größer, und größere Firmen sind am Kapitalmarkt mehr wert als kleine, weil sie größere und damit sicherere Cashflows versprechen. Large-Cap-Unternehmen werden der Studie zufolge, gemessen am Umsatz-Multiple, rund drei Mal so hoch bewertet wie Small-Cap-Unternehmen. Die Studie hat außerdem herausgefunden, dass die Add-ons das Transaktions-Multiple der Plattform beim Exit um 26 Prozent erhöhen.

Der Trick mit der Multiple-Arbitrage hat für Private Equity zudem den angenehmen Nebeneffekt, dafür operativ nicht mit dem Portfoliounternehmen arbeiten zu müssen. Stärkere Margenverbesserungen haben Hammer und seine Kollegen bei Buy-and-Build-Strategien nicht ausmachen können. Das ist gleich aus mehreren Gründen schwierig für den Primary-Investor.

  1. Die Studie zeigt, dass die Add-ons deutlich schlechter performen als die Plattform und die Marge damit sogar eher unter Druck setzen.
  2. Bottom-Line-Synergien wie Prozessverbesserungen, Headquarter-Rationalisierungen oder die Harmonisierung von Beschaffungssystemen sind schwer umzusetzen und erfordern Zeit.

Alles steht und fällt mit der Qualität der Plattform

Entscheidend für den Erfolg einer Buy-and-Build-Strategie ist die Qualität der Plattform. Sie trägt das komplette Projekt und muss die operativ teils deutlich schwächeren Add-ons mitschleppen, deren primärer Zweck es ist, der Gruppe mehr Umsatz zu bringen, um sie größentechnisch in das nächsthöhere Marktsegment zu hieven (Small to Midcap, Mid to Largecap).

Ein weiteres Indiz dafür, dass die Qualität der Add-ons für den Erfolg wohl eher zweitrangige Bedeutung hat: Lediglich 38 Prozent der befragten Private-Equity-Manager gaben an, zum Zeitpunkt der Plattformakquisition bereits eine konkrete Liste mit Add-ons im Kopf zu haben. Das Sourcing ist dann aber Chefsache: Demnach werden 63 Prozent der Add-ons vom Finanzinvestor initiiert.

Die klare Mehrheit der befragten Private-Equity-Manager gab zu Protokoll, dass die große Schwierigkeit nicht im Finden der Add-ons, sondern im Finden der richtigen Plattform liegt. Eine gute Plattform muss den Befragten zufolge vor allem eine gute Marktposition, robuste Infrastruktur, starke Bilanz, ein erfahrenes Management-Team, einen hohen freien Cashflow und ein Geschäftsmodell mit geringen Disruptionsrisiken vorweisen.

Mit Blick auf die Add-ons stellen die Autoren der Studie hingegen fest, „dass sie [Private-Equity-Investoren] von Add-ons keine starke finanzielle Leistung, hohe Cash-Generierung, hohen Marktanteil, hohe Managementqualität oder gute Corporate Governance verlangen. Add-ons sollten weitgehend in der gleichen Branche wie das Plattformunternehmen tätig sein oder strategisch gut zu ihm passen. Das bedeutet, dass sie selbst dann attraktiv sein können, wenn sie klein, schlecht geführt oder nur geringfügig profitabel sind, solange sie strategisch zur Plattform passen.“

Das Private-Equity-System ernährt sich selbst

Am Ende der Primary-Buy-and-Build-Strategie stehen vermutlich also Firmengruppen, die zwar größer sind und wo auf Top-Line-Ebene Synergien gehoben wurden, die offenbar aber auch eine Vielzahl an Tochterfirmen mit überschaubarer Profitabilität ausweisen, die erst noch richtig integriert werden müssen. Benjamin Hammer sieht darin in erster Linie eine Chance – und eine prima Investment-These für den Secondary-Investor, der die aufwändigen Bottom-Line-Synergien heben kann.

Wenn die Hypothese des florierenden Secondary-Markts aufgeht, hat sich Private Equity durch Buy-and-Build ein System geschaffen, dass sich wohl noch über Jahre selbst ernährt. Small-Cap-Investoren füttern die Midcap-Kollegen, deren Plattform dann an Large-Cap-Investoren weitergereicht werden kann, die händeringend nach Anlagemöglichkeiten suchen, um ihre Milliarden an trockenem Pulver im Markt unterzubringen. Private Equity kann laut Hammer heute den kompletten Lebenszyklus eines Unternehmens begleiten – und muss es ob der Vielzahl an unfertigen Buy-and-Build-Projekten wohl auch.  

Die weiteren Themen im Podcast mit Benjamin Hammer

  • Welche Daten wurden analysiert?
  • Sind sie repräsentativ für die DACH-Region?
  • Die drei Forschungsfragen
  • Kernergebnisse der Studie
  • Welche Prämie zahlt PE für Plattformen?
  • Wie groß sind die Größenunterschiede?
  • Wie viel Überrendite bringt Buy & Build?
  • Hebt Private Equity die eingerechneten Synergien überhaupt?
  • Werthebel Multiple-Arbitrage
  • Private Equity hat ein sich selbst ernährendes System geschaffen
  • Fragen-Quicky

All das und noch mehr haben wir mit Benjamin Hammer in der aktuellen Folge besprochen, die überall dort zu finden ist, wo es Podcasts gibt: Apple Podcasts, Spotify, Google Podcasts, Deezer, Amazon Music. Let’s go!

philipp.habdank@whatsup-cf.de

Info-Box: Noch mehr Interviews aus der Corporate-Finance-Szene gibt’s in unserer Podcast-Audiothek. Mehr Hintergründe zu Finanzinvestoren liefert die Themenseite Private Equity

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