Der Basel IV Banken-Check (#9)

5. November 2021 | Corporate Banking
Von Philipp Habdank

Die Banken-Lobby kann mit Basel IV zufrieden sein, ist es aber nicht. Ulf Morgenstern von der Bankenberatung Zeb nimmt das Regulierungspaket auseinander: Wo bluten die Banken, wo hat sich die Lobby gelohnt?

Wegen Corona verschoben, um die Banken zu schonen, wird es jetzt ernst: Die EU-Kommission hat ihr Konsultationspapier zur strengeren Bankenregulierung präsentiert. Der Regulator nennt das Paket „Basel III final“, im Volksmund ist das Projekt ob seiner vielen neuen Änderungen auch unter Basel IV bekannt. Wir haben uns nach unserer heutigen Podcast-Folge für die IV entschieden – nicht unbedingt, weil uns die Pläne so überrascht haben, aber weil es doch eine ganze Menge an Änderungen für die Banken gibt.

Basel IV ist nicht die einzige Baustelle der Banken im Corporate Banking, doch der Aufschrei der Banken-Lobby war laut, speziell bei den kleineren Instituten. Die strengere Regulierung mache Mittelstandskredite teuer, es drohe eine Kreditklemme im Mittelstand und selbstverständlich bestünde die Gefahr, dass durch die strengere Regulierung Teile der Finanzierung in den „Schattenbankensektor“ abwandern würden – ein Begriff, den Debt Funds und andere alternative Finanzierer so gerne hören, wie Private-Equity-Investoren die „Heuschrecke“.

Wo Basel IV den Banken weh tut

Warum der Aufschrei der Banken? Wohl in erster Linie, weil es sich bei dem vorgestellten Regulierungspaket überwiegend um eine sogenannte „Regulation“ handelt. Sobald diese verabschiedet ist, ist sie in allen EU-Ländern rechtlich bindend. Nachbesserungen sind dann nicht mehr möglich wie bei einer „Directive“, die erst noch in nationales Recht umgewandelt werden muss. Wenn die Banken also noch etwas an Basel IV ändern wollen, dann jetzt oder nie.

Was hat der Regulator vor? Er geht die Banken bei allen drei aufsichtsrechtlichen Risikoklassen an: beim Adressrisiko, Marktpreisrisiko und operationellen Risiko. Im Wesentlichen geht es darum, wie die Banken diese Risiken berechnen – nach einer vereinfachten und vom Regulator vorgegebenen Standardmethode (Kreditrisikostandardansatz, kurz: KSA) oder mit einem eigens entwickelten und vom Regulator abgenommenen Modell (Interner Rating basierter Ansatz, kurz: IRBA).

IRBA vs. KSA: So berechnen Banken ihre Risiken

Damit ist Basel IV vor allem ein Großbanken-, Landesbanken- und Spezialbankenthema, die es sich leisten können eigene IRBA-Modelle zu entwickeln. Ulf Morgenstern zufolge wird der IRBA-Ansatz in Deutschland derzeit von rund 50 Banken genutzt, drei davon habe er selbst „in den IRBA geführt“. Darunter befinden sich dem Regulierungsexperten der Bankenberatung Zeb zufolge lediglich zwei Sparkassen und keine einzige Volks- und Raiffeisenbank. Die IRBA-Diskussion betrifft damit zwar nur einen Bruchteil der in Deutschland aktiven Banken, aber einen Großteil des Bilanzvolumens.

Der große Unterschied zwischen dem IRBA und KSA ist die Art und Weise, wie Risiken – insbesondere die Adressrisiken – berechnet werden. Die einfache Formel beim KSA laut Ulf Morgenstern: Buchwert x Risikogewicht x 8 Prozent = Eigenkapitalanforderung der Bank. Das Risikogewicht hängt mitunter stark davon ab, ob der Kreditnehmer ein externes Rating hat oder nicht. Falls nicht, ist das Risikogewicht mit 100 Prozent anzusetzen – das betrifft fast jeden Mittelständler in Deutschland. Beim IRBA arbeiten die Banken mit eigenen Datensätzen, Erfahrungswerten und Statistiken zu erwarteten Verlusten, Ausfallraten und Verwertungsquoten und können das Risikogewicht dadurch deutlich senken.

So viel sparen Banken mit dem IRBA

Und das mitunter ziemlich krass. Ulf Morgenstern zufolge sparen sich die IRBA-Banken bis zu 50 Prozent an unterlegungspflichtigem Eigenkapital, was ein gigantischer Hebel für die Banken sei. „Der Regulierung war das ein Dorn im Auge, weil die fehlende Vergleichbarkeit und das Ungleichgewicht zum KSA einfach zu groß waren“, vermutet der Regulierungsberater.

Der Regulator glaubt den Banken durchaus, dass sie manche Risiken gut einschätzen können – zum Beispiel im Retail-Segment, wo die Häuser über massig Daten und Erfahrungswerte verfügen. Das ist aber nicht überall der Fall. Es gibt auch Bereiche, wo der Regulator glaubt, dass die Erfahrungswerte zu Ausfallraten und Verlustquoten so gering sind, dass die Modelle zwar rechnen, das Ergebnis statistisch aber nicht valide genug ist.

Banken können durch den IRBA teilweise bis zu 50 Prozent sparen.

Ulf Morgenstern, Senior Manager, zeb

Darum hat der Regulator in Basel IV mehrere Portfolios komplett aus dem IRBA herausgenommen, unteranderem Staaten und Beteiligungen. Die Portfolios mit Banken und Großunternehmen, die mehr als 500 Millionen Euro umsetzen, sind zwar nicht komplett verboten, aber es gibt Einschränkungen im IRBA. Die Banken müssen bei diesen Portfolios mehr mit Standardwerten arbeiten, unter anderem bei der Verlustquote. 

Außerdem kommt der im Vorfeld vieldiskutierte „Output Floor“ von 72,5 Prozent. Nur bis zu diesem Prozentsatz dürfen die IRBA-Ergebnisse künftig von den KSA-Werten abweichen. Die Banken-Lobby konnte den Floor nicht komplett verhindern, sondern nur auf die oberste Konsolidierungsebene begrenzen. Banken sparen dadurch zwar weniger, aber der IRBA lohnt sich für noch immer, mein Ulf Morgenstern – zumal den Banken für die Änderungen wieder lange Übergangsfristen vom Regulator eingeräumt wurden.

Die weiteren Themen im Podcast:

  • Wie können Banken ihre RWA clever steuern?
  • Wie muss sich das Pricing-Modell im Corporate Banking ändern?
  • Was hat es mit der Unterlegungspflicht für jederzeit kündbare Linien auf sich?
  • Wie viel Kapitalbedarf entsteht den Banken durch Basel IV
  • Führt Basel IV wirklich zu einer Kreditklemme oder Preisanstiegen im Mittelstand?
  • Ist Basel IV eine Chance für alternative Finanzierer wie Debt Funds?
  • Warum und wie werden künftig die Auslandsbanken strenger reguliert?

Und wie zur Hölle hält man es über 25 Jahre lang in der Regulierungsberatung aus und hat auch noch Spaß daran? Über all das und noch mehr haben wir mit Ulf Morgenstern im Podcast gesprochen, den es wie immer auf allen gängigen Plattformen gibt: Spotify, Apple, Google, Deezer, Amazon/Audible

philipp.habdank@whatsup-cf.de

Info: Noch mehr spannende Interviews aus der Corporate-Finance-Szene finden Sie in unserem Podcast-Archiv. Alles zu den großen Baustellen der Banken im Firmenkundengeschäft gibt’s auf der Themenseite Corporate Banking.

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