Private Equity zwischen Greenwashing und Impact Investing

23. November 2021 | Private Equity
Von Philipp Habdank

ESG ist der gesellschaftliche Megatrend der nächsten Jahre. Die Private-Equity-Branche muss sich jetzt entscheiden, wie sie mit dem Trend umgehen möchte: ignorieren, mitlaufen oder vorangehen?

„The trend ist your friend.“ So lautet eine altbekannte Börsenweisheit, die davon abrät, gegen den Strom zu schwimmen, solange es keine klaren Anzeichen für eine Trendumkehr gibt. Darum rennt der breite Aktienmarkt den großen Megatrends auch so gerne hinterher – und auch die Private-Equity-Märkte laufen gerne mit, bis der Mainstream eine neue Marschrichtung vorgibt.

Die Digitalisierung war zuletzt so ein Megatrend – beziehungsweise ist es noch. Die Private-Equity-Herde folgt ihm seit Jahren, finanziert E-Commerce-Unternehmen lieber als den stationären Handel und zieht Unternehmen aus der Software- und IT-Branche dem traditionellen Maschinenbau vor. Bei den vielen spezialisierten Tech-Investoren sprechen böse Zungen in der Szene sogar schon vom „Techwashing“. 

Jetzt zeichnet sich an den liquiden Märkten der nächste Megatrend ab: nachhaltiges Investieren. Dahinter steckt aber etwas ganz Anderes: Geht es bei der Digitalisierung um die künftig erfolgreichen Geschäftsmodelle, ist Nachhaltigkeit heute oft noch ein Abstrafen von Fehlverhalten. Dass daraus attraktive Geschäftsmodelle entstehen können, wird noch wenig wahrgenommen.

ESG und Private Equity: Sind Finanzinvestoren Vorreiter?

Über die institutionellen Investoren hält das Thema Nachhaltigkeit Einzug in die privaten Kapitalmärkte. Private-Equity-Investoren und Debt Funds bekommen von ihren Geldgebern unterschiedlich starken ESG-Druck und stehen vor der Frage, wie sie mit dem ESG-Trend umgehen sollen. Mit dieser Herausforderung beschäftigt sich das aktuelle Whitepaper „ESG & Private Equity: Sind Finanzinvestoren Vorreiter?“, das vom FINANCE Think Tank Corporate Banking & Finance herausgegeben wird. Das Paper unseres Schwestermediums hat analysiert, was ESG für die Wertschöpfungskette von Private Equity bedeutet – angefangen bei der Due Diligence, über die Finanzierung und Portfolioarbeit, bis zur Königsdisziplin: der Value Creation.

Teile des ESG-Universums sind für die Private-Equity-Branche kein Neuland. Investments in Waffen, Porno, Glückspiel und Kinderarbeit sind schon seit längerer Zeit ein Tabu – mit dem steigenden Nachhaltigkeitsbewusstsein in der Gesellschaft kam zuletzt noch der Verbrennungsmotor auf die Schwarze Liste. Finanzinvestoren betrachten das ESG-Thema bislang aber vor allem als Compliance-Risiko. Deals platzen, wegen negativer Ergebnisse der ESG Due Diligence. Doch dieser Blick ist zu kurzsichtig. Die richtungsweisende Entscheidung für die kommenden zwei, drei, vielleicht vier Jahre lautet: Wird ESG für Private Equity vom Risiko- zum Strategiethema?

Das ist ein bisschen tricky, denn ESG macht das Private-Equity-Geschäft komplexer und komplizierter. Komplexer, weil es deutlich schwieriger ist, den Gewinn und Unternehmenswert über ESG-Maßnahmen zu steigern als über Zukäufe, Kostensenkungen oder Financial Engineering – die gängigen Wertsteigerungstools von Private Equity. Und komplizierter, weil es im Markt bislang nur wenige, bis keine einheitlichen Standards und Benchmarks gibt, an denen sich die Branche orientieren kann – weder beim Investoren-Reporting noch bei der Regulierung.

Strengere ESG-Regulierung für Private Equity

Der Regulator bringt bald an verschiedenen Stellen Schwung in die Sache. Seit März ist die sogenannte Offenlegungsverordnung scharfgestellt. Die SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation) ist Teil der EU-Taxonomie für nachhaltiges Investieren und zwingt Private-Equity-Investoren und Debt Funds, sich in einem ersten Schritt in eine von drei ESG-Schubladen einzusortieren. Wir haben diese mal mit „ESG-Einsteiger“, „ESG-Generalisten“ und „Impact Investoren“ betitelt.

Die einzelnen ESG-Stufen sollen die Art und Weise beschreiben, wie Finanzinvestoren ESG-Überlegungen in ihren Investmentprozess integrieren. In einem zweiten Schritt müssen Finanzinvestoren ab Juli kommenden Jahres zusätzlich veröffentlichen, welche tatsächlichen Nachhaltigkeitswirkungen ein Investment hat. Dieser Regulierungsschritt war nötig, um zu verhindern, dass sich Finanzinvestoren grüner anmalen als sie tatsächlich sind. Ein konventioneller Private-Equity-Investor wird nicht aus purem Altruismus zum ESG-Vorbild – hat aber sehr wohl gemerkt, dass sich mit der Nachhaltigkeitsetikette prima Fondsgelder einwerben lassen.

ESG ist in erster Linie eine Frage der Überzeugung: Gehe ich davon aus, dass es für ESG-Produkte in Zukunft eine höhere Zahlungsbereitschaft gibt?

Markus Contzen, H&Z Unternehmensberatung

Hält Private Equity die ESG-Wette?

Die Private-Equity-Herde wird in Sachen ESG auf Trab kommen, sobald sich der gesellschaftliche Trend in eine validierte Investmentthese übersetzen lässt. So weit ist der Markt aber noch nicht. Niemand kann heute beim Einstieg mit Sicherheit sagen, dass ein Unternehmen in fünf Jahren beim Exit signifikant mehr Wert ist, wenn es dann ein besseres ESG-Bild abgibt.

Derzeit schon diskutierte Investmentansätze wie ESG-Arbitrage rechnen sich vor allem auf dem Papier, denn es ist im Markt eben noch kein ungeschriebenes Gesetz, dass ESG-konforme Unternehmen höhere Bewertungen erzielen. ESG-Prämien oder -Discounts werden vom breiten Markt bislang noch nicht akzeptiert oder werden beim Exit nicht transparent gemacht.

Bislang ist die ESG Value Creation darum noch mehr Glaubensfrage als validierte Investmentthese. Aber so ist das halt bei den großen Megatrends – zu Beginn der Digitalisierung ging die Private-Equity-Branche auch die Wette ein, dass es sich finanziell lohnt, aufwendig und teuer das komplette ERP-System eines Unternehmens auszutauschen. Die Digitalisierungswette hat Private Equity gewonnen. Jetzt zeigt sich, wer sich frühzeitig bei der ESG-Wette positioniert.

philipp.habdank@whatsup-cf.de

Info: Das komplette Whitepaper gibt’s hier zum kostenlosen Download. Für die ESG Due Diligence legen wir den Podcast mit Jens Alsleben (Folge#2) ans Herz. Im Blog legen wir demnächst noch mit einzelnen Deep-Dive-Analysen zur Due Diligence, Finanzierung, Portfolioarbeit und Value Creation nach. To be continued …

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