Digitales Dealsourcing mit künstlicher Intelligenz (#12)

17. Dezember 2021 | Private Equity
Von Philipp Habdank

Für Private Equity ist Dealsourcing ein People Business. Die Venture-Capital-Szene setzt stärker auf Daten und künstliche Intelligenz. Lassen sich beide Welten verbinden? Der Podcast mit Private-Equity-Dealsucher Mathias Weidner und VC-Investor Mickaël Bellaïche.

In einem von Intermediären durchzogenen und immer transparenteren Markt wird das Dealsourcing für Private Equity immer schwieriger – sofern der Finanzinvestor den Anspruch hat, nicht im Rahmen einer vom M&A-Berater orchestrierten Bieterauktion für ein Software-Unternehmen 20x Ebitda zu bezahlen, sondern zu einem vernünftigen Preis direkt vom Unternehmer zu kaufen. Dieser Private-Equity-Traum vom proprietären Deal wird immer seltener wahr.

Aber auch die M&A-Auktionen werden immer noch schneller. Finanzierungsberater Thorsten Weber von Houlihan Lokey sagte neulich im Podcast, dass Schnelligkeit im Leveraged-Finance-Geschäft inzwischen ein Differenzierungsmerkmal ist. Wenn die Private-Equity-Gesellschaft bei der Qualität der Due Diligence keine Abstriche machen will, muss diese Hausaufgabe eigentlich schon erledigt sein, sobald die Auktion startet.

Private Equity mit Old School Dealsourcing

Die große Herausforderung für die Dealsourcer von Private Equity ist also, nicht nur alle zur eigenen Investmentphilosophie passenden Unternehmen zu finden, sondern richtig zu antizipieren, wann diese auf den Markt kommen werden. Dafür gibt es zwei Ansätze: „Old School“ über das persönliche Netzwerk oder „New School“ mithilfe von Daten und vielleicht sogar künstlicher Intelligenz.

Die Private-Equity-Szene in Deutschland ist hier bislang eher traditionell unterwegs. Dealsourcer Mathias Weidner von DPE Deutsche Private Equity sieht grundsätzlich drei Ansätze, um ein Übernahmeziel anzusprechen: a) über Intermediäre oder b) durch Direktansprache oder c) durch eine Kombination aus beidem. „Etwa 85 Prozent all unserer Deal Opportunities bekommen wir von Intermediären“, verrät der Chef-Dealsourcer im Podcast.

Etwa 85 Prozent all unserer Deal Opportunities bekommen wir von Intermediären.

Mathias Weidner, DPE Deutsche Private Equity

Dafür führt Mathias Weidner pro Jahr 250 Gespräche mit Intermediären. Die DPE nimmt an 60 bis 70 Events teil, teils digital, teils physisch, und sieht auch dadurch in etwa 800 Deal-Opportunitäten im Jahr. „Natürlich nutzen wir auch digitale Tools wie Datenbanken, um zu recherchieren, welche Targets für uns in Frage kommen“, sagt Weidner. Der Dealsourcer wird nach eigener Aussage auch regelmäßig von Plattformen angesprochen, die ihm alle künstliche Intelligenz beim Dealsourcing versprechen. Einzig geliefert habe bislang kein Anbieter, was er verspricht.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Datawrapper zu laden.

Inhalt laden

Was ist denn überhaupt künstliche Intelligenz?

Wenn es für die Private-Equity-Branche bislang keine künstliche Intelligenz im Dealsourcing gibt, lohnt sich vielleicht ein Blick in die Venture-Capital-Szene – quasi die kleine Schwester von Private Equity, die Start-ups finanziert. Den Wagniskapitalgebern wird zumindest nachgesagt, dass sie beim Einsatz künstlicher Intelligenz im Dealsourcing etwas weiter sein sollen als Private Equity.

Laut Mickaël Bellaïche vom Berliner VC-Investor Redstone muss man unterscheiden zwischen datengetriebenem und wirklich KI-getriebenem Dealsourcing. „Es hilft ja auch schon sehr viel, überhaupt gute Daten zu haben“, sagt der VC-Investor. Für Mickaël Bellaïche ist künstliche Intelligenz die Weiterentwicklung maschinellen Lernens. „Man braucht einen guten Datensatz, über den man mit Entscheidungsbäumen Erkenntnisse erlangen kann“, beschreibt er das maschinelle Lernen. „KI braucht man dann, wenn automatisch entschieden wird, was mit dieser Erkenntnis im Anschluss passiert.“

Es hilft ja auch schon sehr viel, überhaupt gute Daten zu haben.

Mickaël Bellaïche, Redstone

Venture Capital mit New School Dealsourcing

Redstone nutzt beides. Das maschinelle Lernen löse bereits einen Großteil der Probleme: „Um zu entscheiden, wann es wahrscheinlich ist, dass ein Start-up wieder auf Geldsuche ist“, nennt der VC-Investor als Beispiel. Die künstliche Intelligenz übernimmt für Redstone den Job, die identifizierten Start-ups selbständig in verschiedene Kategorien einzusortieren. „So sind wir in der Lage, wie bei Google einzutippen: Alle KMU-Finanzierungs-Start-ups in Deutschland – und dann spuckt das System mir schon mal eine Liste aus“, berichtet Mickaël Bellaïche.

Redstone hat darüber hinaus ein Ranking eingeführt, wie gut diese Start-ups im Vergleich zueinander abschneiden – basierend auf deren bisheriger Funding-Historie, den Teams, den schon beteiligten Investoren und auch nach Performance-Indikatoren, sofern es diese gibt. Die automatisierte Kategorisierung ist für Redstone so wichtig, weil der VC-Investor in seiner Datenbank nach eigener Aussage weltweit über 1,7 Millionen Start-ups gespeichert hat, in die er aus zehn verschiedenen Sektorfonds investiert.

Wir machen das jetzt seit knapp fünf Jahren und binden Vollzeit schon mindestens drei Ressourcen.

Mickaël Bellaïche, Redstone

Diese Lösung gab es am Markt nicht. Redstone hat viel Zeit und Geld investiert, um die bestehenden Datenbanken für sich nutzbar zu machen und eine eigene Software zu entwickeln. Die genauen Kosten will der VC-Investor nicht verraten: „Aber wir machen das jetzt seit knapp fünf Jahren und binden Vollzeit schon mindestens drei Ressourcen“, sagt Mickaël Bellaïche. Dazu hat sich Redstone echte Daten-Nerds auf die Payroll geholt und beschäftigt Data Scientists, die den ganzen Tag nichts anderes machen als Datenarbeit. Hinzu kommen noch die Kosten für die Rohdatenbeschaffung, um die KI zu füttern. Aber es lohnt sich offenbar: Laut Mickaël Bellaïche kommen bei Redstone inzwischen rund die Hälfte des Dealflows aus dem digitalen Wissen und nicht aus dem Netzwerk.

Die weiteren Themen im Podcast

Die spannende Frage lautet nun, ob sich der VC-Ansatz aus der Start-up-Szene in die Private-Equity-Welt und auf Mittelständler übertragen lässt. Darüber und noch über viel mehr haben Mathias Weidner und Mickaël Bellaïche im Podcast gesprochen.

  • Welche Daten-Provider nutzt Private Equity?
  • Was können sie schon leisten und was nicht?
  • Was ist denn überhaupt künstliche Intelligenz?
  • Wie genau funktioniert die Dealsourcing-KI von Redstone?
  • An welchen Kriterien macht der Investor fest, dass ein Start-up wieder Finanzierungsbedarf hat?
  • Wie lässt sich das auf Mittelständler übertragen?
  • Warum hat die Private-Equity-Branche bislang keine eigenen Dealsourcing-KI entwickelt?
  • Warum beschäftigt Private Equity keine Data Scientists?
  • Wie lassen sich Old und New School verbinden?

Wir wünschen viel Spaß beim Hören des Podcast, der wie immer auf allen gängigen Plattformen zu finden ist: Spotify, Apple, Google, Deezer, Amazon.

Info: Diese Folge ist ein Partner-Podcast unseres Podcast-Sponsors DPE Deutsche Private Equity. Mehr spannende Interviews aus der Corporate-Finance-Szene gibt’s in unserer Audiothek und überall dort, wo es Podcasts gibt.

Weitere Beiträge ...

... die Sie auch interessieren könnten.

So rechnet Private Equity (#6)

10. September 2021 | Leveraged Finance | Private Equity
Von Philipp Habdank
Der Podcast mit Kai Hesselmann über die Rechenspiele von Private-Equity-Investoren.
Anhören

M&A-Outlook 2022: Geht der Boom weiter?

8. Dezember 2021 | M&A | Private Equity
Von Philipp Habdank
Spacs, Private Equity und ganz viel Stress: Unser Ausblick auf das M&A-Jahr 2022.
Anschauen

Banken vs. Debt Funds: Das Imperium schlägt zurück (#10)

19. November 2021 | Leveraged Finance
Von Philipp Habdank
Zahlen, Fakten und Hintergründe – der Leveraged Finance Talk zum dritten Quartal 2021 mit Thorsten Weber von GCA Altium.
Anhören